Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
schaffen wäre. Auf der Strecke bleiben: der Stundensatz und die Sauberkeit.
Die Putzfrauen reiten auf ihrem Staubwedel so schnell wie auf einem Hexenbesen durch die Zimmer. Ihr Putzlumpen hinterlässt nur flüchtige Bremsspuren. Und ihre Putzwagen scheppern über den Flur wie Pferdegespanne auf der Rennbahn. Will man es ihnen verübeln? Nur durch Schnelligkeit können sie verhindern, dass ihr Stundenlohn weiter schmilzt.
Ein Rückfall in den Frühkapitalismus, eine moderne Form der Ausbeutung? Gewiss! Die spannende Frage: Warum sollte ein Ar beitgeber, der seine Angestellten ausbeutet, gegenüber seinen Gästen fairer sein? Natürlich findet diese Ausbeutung auf subtilere Weise statt, beispielsweise dadurch, dass mich ein Parkplatz in der Tiefgarage pro Nacht 30 Euro kostet – statt zum Service des Hotels zu gehören. Oder dadurch, dass die Preisschraube so lange angezogen wird, bis der Preis für eine Übernachtung mit der Monatsmiete für eine kleine Ein-Zimmer-Wohnung identisch ist.
Dieses Verhalten wirkt sich auch auf den Service aus. Beim Gast kommt an, was die obersten Chefs vorleben. Wo eine Kultur der Fairness herrscht, auch bei den Gehältern, behandelt das Personal auch die Gäste fair. Aber wo die Mitarbeiter getreten werden, steigt der Pegel ihres Frustes – und sie geben die Tritte nach unten weiter.
Unten ist, wo ich als Kunde stehe!
Das erklärt, warum es sogar in manchem Spitzenhotel um die Freundlichkeit des Personals ebenso schlecht bestellt ist wie um die Sauberkeit der Bäder.
Mein Horror-Seminar
Die Hotels verdienen doppelt an mir: Ich buche nicht nur Zimmer als Geschäftsreisender, sondern ganze Seminarräume als Betreiber einer Akademie, an der ich Karrierecoachs ausbilde. Dann klingelt die Kasse so richtig, bei längeren Kursen wandern schon mal hohe vierstellige Beträge über den Tresen. Man könnte sich fragen: Komme ich als Großkunde in den Genuss einer Sonderbehandlung? Legt der Service ein paar Gänge zu? Und ist die Organisation frei von Pannen?
Im Gegenteil! Meine Erlebnisse lassen sich nur mit einem Wort umschreiben: Horror. Letzten Herbst bot ich meinen Ausbildungsgang zum Karriereberater im renommierten NH-Hotel Hamburg-Altona an, einem Vier-Sterne-Haus. Der Super-GAU passierte schon im Vorfeld: Ein Teilnehmer rief im Hotel an und wollte, unter Verweis auf mich, sein Hotelzimmer mit einem vereinbarten Rabatt buchen. Die Dame am anderen Ende sagte: »Moment, ich schau in unserem System nach. Martin Wehrle – nein, der Name sagt uns nichts.«
»Vielleicht unter ›Karriereberater-Akademie‹«, half der Teilnehmer nach, indem er meine Firma nannte.
»Nein«, sagte die Dame, »eine Karriereberater-Akademie ist uns nicht bekannt.«
Nun war der Anrufer völlig verunsichert: »Aber eine Ausbildungs veranstaltung am letzten Septemberwochenende haben Sie doch registriert?«
»Nein, da liegt uns keine Buchung vor.«
Nun versetzen Sie sich bitte in den Teilnehmer. Er hat eine kostspielige Ausbildung gebucht, der Preis wird per Vorkasse fällig. Und nun bekommt er die Auskunft: Der Veranstalter ist beim Veranstaltungshotel nicht bekannt! Es grenzt an ein Wunder, dass er nicht das Betrugsdezernat eingeschaltet hat, sondern mich per Mail um eine Erklärung bat.
Aufgebracht rief ich bei dem Hotel an und nahm das Versprechen ab, ein solcher Vorgang dürfe sich nicht wiederholen. Umso entsetzter war ich, als ich nach drei Seminarwochenenden von einer Teilnehmerin hörte: »Jedes Mal, wenn man beim Hotel anruft, sagen die: ›Ihr Seminaranbieter ist uns unbekannt – wir können Ihnen keinen Rabatt geben.‹« Der Verweis darauf, dass genau dieser Anbieter in genau diesem Hotel erst vor zwei Wochen ein Seminar veranstaltet hatte, wurde einfach weggewischt. Nur wer hartnäckig nachbohrte, bekam seine Prozente. Eine Teilnehmerin gab auf und zahlte zweimal den Normalpreis.
Die Veranstaltungsmanagerin des Hotels – eine sehr freundliche und zuvorkommende Dame – entschuldigte sich tausendmal und ließ mich wissen, die Einbuchung würde seit geraumer Zeit von einem Servicecenter im Ausland vorgenommen. Offenbar habe es mal wieder ein Kommunikationsproblem gegeben …
Mit einem Sonderrabatt wollte das Hotel die Stimmung für mein letztes Seminarwochenende retten. Es sollte der Höhepunkt der Ausbildung sein: Jeder Teilnehmer durfte einen realen Klienten beraten. Vollkommene Ruhe und Konzentration waren gefragt. Doch nach zehn Minuten war es damit vorbei: Ein feuersirenenartiges
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