Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
der Mini-Bar – das sind nur sechs Schritte.
Die Entscheidung fällt mir leicht. Mit dem festen Vorsatz, nur ein Bier zu trinken, öffne ich den kleinen Getränkesafe in meinem Zimmer. Bis um Mitternacht sind drei kleine Bierflaschen geleert – und mit ihnen der Akku meines Handys, weshalb ich zweimal zum Zimmertelefon greife.
Der Rechnung entnehme ich: Jedes Bier von 0,33 Liter kostet mich acht Euro. Das Telefonat besorgte den Rest. »Hat sich das Missverständnis geklärt?«, fragt der kühle Engel. Wortlos schiebe ich meine Scheckkarte rüber.
Viele Hoteliers sind wie Straßenräuber, sie plündern ihre Gäste aus. Wer ihnen in die Fänge gerät, bekommt seinen Mund vor lauter Staunen und sein Portemonnaie vor lauter Blechen gar nicht mehr zu.
Den ersten Wegezoll entrichtet der Gast für ein Zimmer, das oft nur halb so groß ist wie auf dem Weitwinkel-Foto im Internet. Die Hotelpreise sind wie Lottozahlen: Niemand kann sie vorhersagen. Diese Preise schwellen rätselhaft an, wenn es dafür das geringste Alibi gibt, etwa eine Messe im Umkreis von 150 Kilometern. Ganz egal, ob das Hotel ausgebucht ist oder nicht.
Die zweite Runde im Abkassierspiel wird bei den Nebendienstleistungen eingeläutet. Ob Mini-Bar oder Filmkanal, Hotelgarage oder Frühstück, Telefonieren oder Nutzung eines Hotelcomputers: Jeder kleine Dienst hat einen großen Preis.
Das Sinnbild dieser Raubritter-Mentalität ist für mich der Wucher an der Mini-Bar. Diese Getränkepreise haben nichts mit seriöser Kalkulation zu tun, denn jeder BWL-Student im ersten Semester weiß: Je mehr der Kunde selbst erledigt, desto billiger die Dienstleistung. Darum kostet das gleiche Mineralwasser im Fast-Food-Restaurant weniger als im Gourmettempel.
Aber welchen teuren Service bietet mir das Hotel an der Mini-Bar? Ich, der Gast selbst, bediene mich: Ich spiele den Barkeeper, schenke ein und mixe Drinks. Ich spiele den Kellner, serviere das Getränk und schenke nach. Und zur Not führe ich auch noch eine Strichliste über meinen Getränkekonsum, wische Verschüttetes auf, trete als Rausschmeißer in Erscheinung und befördere mich zu später Stunde ins Bett.
Diese Servicearbeit müsste mit einem günstigen Preis belohnt werden. Doch was im Einkauf keine zwei Euro gekostet hat – drei kleine Flaschen Bier –, macht mich um das Zwölffache ärmer. Und warum muss ich für Telefonate ein kleines Vermögen hinlegen, obwohl das Hotel mit Sicherheit über einen Pauschalvertrag verfügt und die Inlandsgespräche ins Festnetz kaum Kosten verursachen? Wäre hier eine kleine Gebühr – oder gar ein kostenloses Gespräch als Service – bei hohem Zimmerpreis nicht angemessen?
Hotelgäste werden ausgenommen. Landesweit. Warum lässt der Gesetzgeber das trotz Wucherverbots zu? Er und die Hotellobby teilen sich ein Doppelbett. Oder haben Sie eine andere Erklärung dafür, warum die schwarz-gelbe Bundesregierung im Jahr 2009 auf die leeren Staatskassen gepfiffen und den Gastronomen ein Steuergeschenk in Höhe von über fünf Milliarden Euro vor die Tür geschaufelt hat? 28
Freilich ist die schwarz-gelbe Koalition durch diese umstrittene Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent ins Trudeln geraten. Aber eines blieb erstaunlich stabil: die Hotelpreise. Keines der Hotels, in denen ich verkehre, hat einen Cent dieser Unsumme an seine Gäste weitergereicht. Schlimmer noch, die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fand im Januar 2010 heraus: Die Preise für Hotelübernachtungen waren im Schnitt um 1,9 Prozent gestiegen. Mit der einen Hand sackten die Hoteliers das Steuergeschenk ein, mit der anderen Hand griffen sie ihren Gästen noch tiefer in die Tasche. Die Bundesregierung spielte bei dieser von der Hotellobby inszenierten Schmierenkomödie den naiven Steigbügelhalter. 29
Was das Steuergeschenk offiziell bezwecken sollte? Die »Wettbewerbsfähigkeit« der deutschen Gastronomiebetriebe im internationalen Vergleich erhöhen. Vernünftige Preise, auch für Mini-Bars, kombiniert mit gutem Service, hätten denselben Zweck erfüllt. Ich wette: Ein Hotel, das seine Gäste fair und freundlich behandelt, wäre das ganze Jahr über ausgebucht.
ALS Mich DIE REZEPTION VERHAFTETE
Es geschah in einem Berliner Luxushotel am Gendarmenmarkt. Ich kam zurück von einem Vortrag und wollte schnell aus checken, um den Zug nach Hamburg noch zu erwischen. »Die Kosten übernimmt der Auftraggeber«, sagte ich, legte die Schlüsselkarte auf den Tresen
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