Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
und wandte mich zum Gehen.
»Halt!«, rief der junge Rezeptionsmitarbeiter so laut, als wollte er einen Bankräuber von der Flucht abhalten. Ich drehte mich er schrocken um. Die Blicke der anderen Gäste sprangen mich an.
»Die Firma übernimmt nur die Zimmerkosten«, sagte der Rezeptionspolizist. »Aber für die Mini-Bar müssen Sie selber aufkommen.«
»Ich hab die Mini-Bar nicht genutzt«, entgegnete ich.
»Doch«, sagte er mit amüsiertem Blick auf seinen Bildschirm. »Zwei kleine Whiskey, ein Bier, ein Rum …«
Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf stieg: Was mussten die Leute hier von mir denken?
»Wirklich, ich habe keinen Schluck aus der Mini-Bar getrunken. Ganz sicher. Das muss ein Missverständnis sein.«
Er nickte verständnisvoll wie ein Psychiater, wenn der Patient erklärt, er sei der Kaiser von China. »Auf meinem Bildschirm steht etwas anderes. Das muss ich klären. Bitte warten Sie einen Augenblick.«
Ich schielte auf meine Uhr: »Können Sie das nicht in meiner Abwesenheit klären?«
»Eher nicht«, sagte er, »bitte warten Sie kurz.« Er lief zum Fahrstuhl.
Zehn Minuten später tauchte er wieder auf, murmelte eine Entschuldigung und sagte: »Alles klar, Sie können gehen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.« Die anderen Auscheckenden waren längst verschwunden – sie halten mich bis heute für einen Zechpreller.
»Nun werde ich meinen Zug verpassen«, schimpfte ich.
»Ich kann Ihnen gerne ein Taxi rufen«, säuselte er.
»Dann aber auf Ihre Kosten.«
Er hob die Schultern: »Bedaure.«
Ich bedauerte ebenfalls, wenn auch nur meine gute Erziehung, die mich davon abhielt, eine Schimpfwortkanone abzufeuern. Mit fliegenden Füßen sauste ich davon.
Was war passiert? Am Vorabend hatte ich Obst aus meiner Reiseverpflegung in die Mini-Bar gepackt, dafür einige Flaschen ausquartiert und am nächsten Morgen wieder einsortiert. Offenbar meldete die Mini-Bar vollautomatisch die entnommenen Flaschen, war aber nicht clever genug, meine Rückführung zu registrieren.
Und der Hotelmitarbeiter sah lieber mich, den Gast, als Betrüger an als an einen Irrtum seines Systems zu glauben. Natürlich habe ich meinen Zug verpasst.
Ein Albtraum namens Nachtruhe
Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, vielleicht drei Uhr nachts – da reißt mich ein Geräusch aus meinen Träumen: Stimmen. In meinem Hotelzimmer! Ich spüre, wie sich mir sämtliche Haare aufstel len. Mein Mund ist mit einem Schlag trocken. Mein Hals gleicht einer verstopften Röhre: Kein Hilferuf käme da durch, höchstens ein Röcheln. Wie erstarrt liege ich in meinem Bett.
Dreiste Diebe müssen in mein Zimmer eingedrungen sein. Sie unterhalten sich, als wäre ein Einbruch die normalste Sache der Welt. Aber warum lachen sie? Allmählich fällt die Schlaftrunkenheit von mir ab. Die Stimmen entfernen sich, Schritte verhallen. Leise höre ich noch: »Schlaf gut!« – »Du auch!« Türen knallen. Stille.
Ganz langsam öffne ich die Augen und blinzle ins Halbdunkel. Mein Zimmer scheint unberührt. Ich knipse die Nachttischlampe an, schleiche zur Tür und taste in der Innentasche meines Mantels nach dem Portemonnaie. Das Geld ist da. Die Tür ist zu. Ein schlechter Traum, von realen Geräuschen eines Frankfurter Vier-Sterne-Hotels gespeist.
Allerdings ein Albtraum, den ich mit Millionen von Hotelgästen teile – dass die Hotels für alles Mögliche sorgen, nur nicht für das Wichtigste: für ungestörten Schlaf. Nie werde ich begreifen, warum sogar in Luxushotels die Türen so dünn wie Pappe sind. Jedes Geräusch vom Flur hat freien Zutritt zu meinem Zimmer.
Das hohe »Pling« des ankommenden Fahrstuhls, das Klappern des Servierwagens, das Holpern eines rollenden Koffers, das Schlagen einer Zimmertür, das besoffene Geschnatter der Spätheimkehrer, die wie eine Büffelherde über den Flur ziehen, möglichst nicht vor ein Uhr nachts: All diese Geräusche durchschlagen meinen Schlaf wie Zimmermannsnägel, rauben mir jedes Gefühl von Geborgenheit, lassen mein Herz rasen.
Das typische Hotelzimmer scheint zu allen Seiten hin offen zu sein. Die Wände sind oft so dünn, dass ich mich vom funktionierenden Sexualleben meiner Zimmernachbarn in allen akustischen Details überzeugen kann. Wie oft schon wurde mein Schlaf vom Surren der Klimaanlage zerstört, vom Kühlgeräusch der Mini-Bar, vom Karnevalsumzug einer verirrten Putzkolonne, die sich bei Nacht über den Flur schob, vom hohen Quietschen der nahen S-Bahn, vom Hupen an der
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