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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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die Tür meines Kontos getrommelt und die schlimmsten Befürchtungen gehegt hatte!
    Geschlagene zehn Tage dauerte es, bis mir meine neuen Zugangsdaten ins Haus flatterten. Als ich den Kontostand abrief, wurde mein Hemdkragen noch einmal eng: Hatten die Gangster schon zuge griffen?
    Ich durfte aufatmen: Das Geld war noch da. Weg war etwas anderes: das Vertrauen zu meiner Bank; sie hatte mich im Stich gelassen.
    Die Schlacht ums Sparbuch
    Jedes Mal, wenn ich umziehe, verfluche ich mich selbst: Warum schleppe ich eigentlich so viele nutzlose Dinge durch mein Leben? Was will ich mit dicken Büchern, die ich nicht mehr lese, mit Stapeln von Rechnungen, die längst beglichen sind, oder mit uralten Liebesbriefen, deren Tinte ebenso verblasst ist wie die damaligen Gefühle?
    Einige Umzugskisten trage ich von Keller zu Keller, ohne sie je auszuräumen. Aber wenn ich sie anfasse, kann ich nicht anders: Ich wühle darin. Was dabei ans Licht kommt, frischt meine schwarz-weiße Vergangenheit mit kleinen Farbtupfern auf.
    Vor einigen Jahren purzelte mir ein Büchlein mit weinrotem Ledereinband aus einer Umzugskiste entgegen: mein altes Sparbuch! Als Junge hatte ich jede Mark, die nicht für Eis am Stiel draufging, zu meiner Bankfiliale getragen. Später schlachtete ich die fette Sparbuch-Gans fürs Mofa und für den Gebrauchtwagen.
    Vorsichtig schob ich den Staub von dem Buch und blättere es auf. Wow, die Gans flatterte noch! Umgerechnet 1 000 Euro waren noch übrig. Seit 15 Jahren lag das Sparbuch brach – keine Einzahlungen, keine Abbuchungen, keine Einträge von Zinsen.
    Warum, so fragte ich mich, hatte meine Bank nicht den Kontakt zu mir gesucht? Warum hatte mich niemand gebeten, mein Sparbuch zum Nachtragen der Zinsen einzureichen? Hatte das Geldinstitut etwa auf meine Vergesslichkeit spekuliert, um sich das Geld eines Tages in die eigene Tasche zu stecken?
    Der Schaltermann der Mini-Filiale, der mir seinerzeit als Jüngling das Sparbuch ausgestellt hatte, saß grauhaarig hinter dem Schalter. Mein Geld rückte er anstandslos heraus. Doch, doch, behauptete er, die Bank würde schon aktiv nach verschollenen Kunden suchen – allerdings erst »nach 15 bis 20 Jahren«. Ich glaubte ihm.
    Die Geschichte, die mich eines Besseren belehrte, stand in den Zeitungen und begann mit dem Fund eines Sparbuchs im Jahr 2008. Ein knapp 50-jähriger Mann war doppelt überrascht, als er im Nachlass seiner verwitweten Mutter auf das Buch stieß. Erstens war das Sparbuch auf ihn ausgestellt, aber er wusste nichts davon. Und zweitens hatte sein Vater kurz nach seiner Geburt einen erstaunlich hohen Betrag als Starthilfe für ihn angelegt: 106 000 Mark. Davon hätte man damals 28 VW-Käfer kaufen können.
    Der Vater war früh verstorben und offenbar nicht mehr dazu gekommen, das Sparbuch an seinen Sohn weiterzureichen. So dämmerte das Buch fast fünf Jahrzehnte vor sich hin. Eine Überschlagsrechnung förderte ein erfreuliches Ergebnis zutage: Mit Zins und Zinseszins mussten sich rund 300 000 Euro angesammelt haben.
    Der Sohn bat die Bank um Auskunft, wie hoch das Vermögen inzwischen sei. Die Antwort traf ihn wie ein Fausthieb: Ein solches Sparbuch sei gänzlich unbekannt. Dabei trug das Dokument den Stempel der Bank und war von zwei Mitarbeitern unterschrieben. Das Geldhaus erklärte das Sparbuch rundweg zur Fälschung, ohne diese Behauptung zu belegen.
    Der Sohn bat den Anwalt Werner Otto um Hilfe. Der war guter Dinge: »Das Sparbuch machte nach seinem gesamten Erscheinungsbild einen zweifelsfrei echten Eindruck, deshalb habe ich dem Mandanten geraten, das Guthaben von der Bank einzufordern. « 38
    Der Fall landete vor Gericht. Der Anwalt setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um die Echtheit des Sparbuchs nachzuweisen. Einen langjährigen Experten des Landeskriminalamtes Bayern ließ er analysieren: War die Tinte der Kugelschreiber, mit denen das Buch unterzeichnet worden war, 1959 tatsächlich schon im Handel? Ja, sagte der Sachverständige. Und das Sparbuch sei zweifellos echt.
    Die Bank wurde dazu verurteilt, ihrem Kunden die rund 300 000 Euro auszubezahlen. Diese Ohrfeige hallte durchs ganze Land – doch offenbar nicht laut genug, um die Banker zur Vernunft zu bringen: Das Institut rückte keinen Cent heraus, sondern ging in die nächste Instanz.
    Mit juristischen Winkelzügen wollte die Bank ihren Kunden nun endgültig austricksen: Da an der Echtheit des Sparbuchs nicht mehr zu rütteln war, zweifelte sie die Echtheit der unterzeichnenden

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