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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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vier gewappnete Ritter mit ihren Lanzenspitzen einen grünseidenen Baldachin emporhielten, um die Damen vor der Sonne zu schützen. Voran ritt die Königin von den Äußeren Inseln, das Haar so golden wie die Krone, die Augen blau wie Schiefer, die Wangen vom pulsierenden warmen Blut gerötet, ihr meerblauer Mantel meergrau gefüttert, der Zelter scheckig wie eine schaumbespritzte Klippe. Als nächste kam die Königin von Nord-Galys, mit rotem Haar, grünen Augen, grün gewandet. Durch ihre Wangen schimmerte es purpurn, und ihr Pferd war rotbraun wie ihr Haar. Ihr folgte die Königin von Ostland – das Haar aschenfarben, doch von einem warmen Ton, wie Rosenasche, die Augen haselnußbraun, das Gewand von einem blassen Lavendelgrün. Ihr Pferd war weiß wie Milch.
    Den Schluß bildete Morgan le Fay, die Königin des Landes Gore, König Artus’ Schwester. Schwarz das Haar, die Augen, das Gewand und ihr Pferd schwarz glänzend wie Satans Herz. Ihre Wangen waren weiß, vom lebendigen Weiß der weißen Rose, und ihr nachtdunkler Mantel wurde durch seinen Hermelinbesatz noch düsterer.
    Vor und hinter den Königinnen unter ihrem Baldachin ritten gepanzerte Männer, starr aufgerichtet und mit geschlossenen Visieren. Die prunkvolle Kavalkade zog dahin, ohne daß ein Hufschlag oder ein Klirren der Rüstungen zu hören war. Sie bewegte sich auf die Gewitterwolken und einen mit Gräben und Wällen bewehrten Hügel namens Jungfrauenburg zu, gemieden von Menschen des hellen Tages als ein Ort der Gespenster und ein Versteck für Hexen, wo es sich zutragen mochte, daß sich nächtens auf dem Gipfel eine mit Türmen versehene Burg erhob, die wieder verschwand, wenn der Morgen kam. Nur diejenigen, die in der Schwarzen Kunst geschult und bewandert waren, versammelten sich dort.
    Der große Rabe senkte sich herab und landete auf der schwarzen Schmuckdecke von Morgans Rappen, krächzte leise seiner Herrin etwas zu und legte den Kopf schief, als sie ihn ausfragte.
    »Krächz!« sagte er. »Hund! Schwein! Tod! Hübsch – Hübsch – Dame!«
    Da gellte Morgan ein Lachen. »Ein Leckerbissen, Schwestern!« rief sie. »Ein Honigpfläumchen!« Sie schleuderte den Raben in die Luft, und er flog ihnen als Führer voran zu der Stelle unter dem Apfelbaum, wo Lancelot schlief.

    Der nachmittägliche Wind prägte den Gräsern und Blumen auf der Ebene, auf der die vier unirdischen Königinnen vorsichtig dem Apfelbaum entgegenritten, seine unsichtbare Form auf. Lancelots angebundenes Pferd schnaubte und stampfte mit den Hufen, denn Pferde haben ein besonders scharfes Gespür für Risse und Brüche im Normalen. Doch noch immer schlief der Ritter, obwohl sein Gesicht zuckte und die rechte Hand sich langsam öffnete und schloß.
    »Das kann kein natürlicher Schlaf sein«, sagte Morgan leise. »Ich frage mich, ob irgend etwas Macht über ihn hat.« Sie stellte sich neben ihn und blickte auf ihn hinab. »Doch nein«, sagte sie dann. »Hier wirkt kein Zauber – nur Erschöpfung, die Müdigkeit von Monaten, von Jahren.« Sie hob die schwarzen Augen und sah, daß ihre lieblichen Schwesterköniginnen sich wie Wölfe angesichts eines blutenden Opfers die Lippen leckten.
    »Ihr kennt ihn also?«
    »Natürlich«, sagte die Königin von den Äußeren Inseln. »Es ist Lancelot.«
    »Ich habe euch ja gesagt, daß uns etwas Leckeres erwartet. Aber Schwestern der Erde sollten einander nicht beißen. Ich weiß, daß wir um ihn kämpfen werden. Aber bitte nicht mit Zähnen und Klauen! Denn, meine Teuren, ich kenne euch gut genug, um zu wissen, daß ihr nicht gewillt seid zu teilen.«
    Die Königin von Nord-Galys fragte mit honigsüßer Stimme: »Was schlagt Ihr vor?«
    Nun durchlief ein Schauer Lancelots Körper, sein Kopf bewegte sich vor- und rückwärts, als fieberte er. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und stöhnte auf.
    Morgan holte unter ihrem Mantel ein langhalsiges Fläschchen mit Lactucarium hervor, das vor Alter schillerte. Sie zog den Stöpsel heraus, beugte sich nach unten, ließ ein paar dicke, schwarze Tropfen auf Lancelots Lippen fallen, und als er sie ableckte, verzog sich sein Gesicht, weil sie so bitter waren. Morgan le Fay breitete eine gemurmelte Hülle von Zauberworten über ihn, und er holte tief erschauernd Luft und glitt in eine pechschwarze Nacht des Schlafs. Nun sprach Morgan nicht mehr leise, denn es bestand keine Gefahr, daß er erwachen könnte. »Ich habe einen Vorschlag«, sagte sie. »Nämlich daß wir diese Beute mit uns

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