König Artus
gewappnet, und sie klangen wie das Gehämmer einer Streitaxt gegen einen Bronzeschild.
Sir Lancelot starrte sie ungläubig an, denn ihr Gesicht war zu einem Katapult geworden, das glühendrote Wörter gegen seine Wälle schleuderte.
»Wovon sprecht Ihr? Was ist Macht?« fragte er.
»Was Macht ist? Macht ist Macht, nur das, unabhängig, sich selbst genügend, auf nichts angewiesen und unangreifbar, außer wiederum durch Macht. Machtgefühl läßt alle anderen Gaben und Attribute belanglos erscheinen. Das ist mein Geschenk für Euch.« Sie lehnte sich keuchend und schwitzend auf ihrem Thron zurück, und die anderen drei Königinnen waren unter der Glut von Morgans Hitze weich geworden wie Wachs. Dann richteten alle vier ihre Augen wieder auf Lancelot, helle, flache Augen, aus denen eine aktive und zugleich lässige Neugierde sprach. So hätten sie einen Hengst und seine Reaktion auf die schillernden Schalen von Kanthariden beobachten oder Ausschau nach dem ersten bläulich-weißen Schweißtropfen auf der Stirn einer Rivalin halten können.
Lancelot zeichnete mit einem Finger Figuren auf den Flaum seines ockergelben Gewandes, ein Quadrat und ein Dreieck. Dann wischte er sie glättend weg und zeichnete einen Kreis und ein Kreuz nebeneinander, umgab das Kreuz mit einem Kreis und füllte den Kreis mit einem Kreuz. Sein Gesicht spiegelte Verwirrung und Traurigkeit. Schließlich blickte er zu Morgan hoch. Leise sagte er: »Und deshalb habt Ihr zweimal Euren Bruder, den König, zu töten versucht.«
Sie spuckte nach ihm. »Ein halber Bruder und ein halber König. Ein königlicher Schwächling. Was versteht er denn schon von Macht? Ich sage Euch, in der Welt der Macht ist Schwäche eine Sünde – die einzige –, und sie wird mit dem Tod bestraft. Das ist natürlich ein sehr interessantes Thema. Aber wir sind nicht hierhergekommen, um über Sünden zu sprechen. Wohlan, hochedler Ritter – wir haben Euch unsere Angebote unterbreitet. Bleibt noch, daß Ihr Eure Wahl trefft.«
»Wahl?« sagte er ausdruckslos.
»Tut nicht so, als hättet Ihr vergessen. Ihr sollt zwischen uns wählen.«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann nicht wählen«, sagte er. »Ich bin ein Gefangener.«
»Unsinn, wir haben Euch die Wahl freigestellt. Sind wir nicht schön?«
»Ich weiß nicht, Madame.«
»Das ist lächerlich. Natürlich wißt Ihr es. Es gibt keine schöneren Frauen auf der Welt und auch keine, die nur halb so schön sind. Dafür haben wir gesorgt.«
»Das ist es vermutlich, was ich meine. Ihr habt eure Gesichter und Körper gewählt, nicht wahr? Sie durch eure Künste erschaffen.«
»Und wenn schon. Wir sind vollkommen.«
»Ich weiß nicht, womit ihr angefangen habt. Ich weiß nicht, was ihr seid. Ich glaube, ihr könnt euer Äußeres verändern.«
»Natürlich können wir das. Aber was macht es schon? Ihr seid doch gewiß kein solcher Narr, Guinevere für ebenso schön zu halten, wie wir es sind.«
»Aber seht, meine Damen. Guinevere hat das Gesicht und den Körper von Guinevere. Es ist alles da, war von Anfang an so vorhanden. Guinevere ist Guinevere. Man kann sie lieben, weil man weiß, was man liebt.«
»Oder sie hassen«, sagte Morgan.
»Oder sie hassen, Madame. Aber eure Gesichter zeigen nicht euch. Sie sind nur von euch gemalte Bilder dessen, was ihr gerne wärt. Ein Gesicht, ein Körper wächst und leidet mit seinem Besitzer. Das Gesicht trägt Narben und Spuren von Schmerzen und Niederlagen, aber auch den Glanz von Mut und Liebe. Und zumindest für mich erwächst die Schönheit aus alledem.«
»Warum hören wir uns sein Geplapper an?« rief die Königin von Ostland zornig.
»Weil wir vielleicht etwas daraus lernen, Schwester. Wir haben, so scheint es, einen Fehler gemacht. Hier geht es um ein Experiment. Fahrt fort, Sir«, sagte Morgan, und ihre Augen hatten sich überzogen, waren ausdruckslos wie die einer Schlange.
Lancelot sagte: »Einmal stand ich nachts an einem offenen Fenster und blickte hinaus. Ich sah rote Augen, und in den Lichtkreis der Fackel trat eine große Wölfin, die den Kopf hob und mir in die Augen schaute. Sie öffnete das grinsende Maul, und die großen Fänge und die Zunge troffen von frischem Blut. ›Reicht mir eine Lanze!‹ rief ich, doch der kluge Mann neben mir am Fenster sagte: ›Die nützt nichts. Das ist Morgan le Fay, die den Mond anbetet.‹«
»Wer war das, dieser Lügner?«
»Nein, Madame, er war kein Lügner, doch ein sehr kluger Mann.«
»Erwähnt Ihr das, um
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