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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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gewisse kleine, sommersprossige Stirn kühl geworden war.«
    Lancelot sprang auf und rief: »Hört auf damit! Oh, wie gemein! Oh, welche Niedertracht! Schaut, ich kreuze die Finger meiner Hände. Da habt Ihr ein Vaterunser über Euer Gesicht!«
    Königin Morgan murmelte: »Bietet Ihr Euch ihm als Mutter an, meine Liebe?«
    »Ich biete ihm den Frieden, den er anderswo nie gefunden hat, die Sicherheit und Wärme, nach der er noch heute sucht, Lob für seine Tugenden und ein sanftes, mitfühlendes Verzeihen seiner Mängel. Setzt Euch, edler Ritter. Ich wollte Euch nicht zu nahetreten. Ich weiß, daß Guinevere der Königin Elaine ähnlich sieht – doch das ist alles. Erwägt, was ich Euch anbiete.«
    »Ich will nichts hören.«
    »Bedenkt es!«
    »Ich höre Euch nicht.«
    »Aber Ihr werdet Euch daran erinnern. Erwägt es.«
    »Meine Damen, mir reicht es jetzt«, sagte er. »Ich bin Euer Gefangener. Laßt Männer holen. Tut mit mir, was Ihr wollt, doch seid versichert, daß ich kämpfend untergehen werde. Ihr seid gescheitert.«
    Königin Morgans Stimme durchschnitt die Luft wie ein Krummsäbel. »Ich bin nicht gescheitert«, sagte sie. »Meine schlauen, kleinen Hexenschwestern haben Euch bunte Fetzen von einem Gewand, abgesprungene Stücke von einer Heiligenfigur geboten. Ich biete Euch das Ganze, von dem alles andere nur Bruchstück ist – ich biete Euch Macht. Wenn Ihr Dirnen in phantastischen Gewändern begehrt, Macht wird Euch dazu verhelfen. Bewunderung? Eine ganze Welt verzehrt sich danach, mit schmatzenden Lippen der Macht den Hintern zu küssen. Eine Krone? Macht und ein kleines Messer werden sie Euch aufs Haupt setzen. Abwechslung? Im Besitz von Macht könnt Ihr Städte anprobieren wie Hüte oder sie zertrümmern, sobald Ihr ihrer überdrüssig seid. Macht zieht Loyalität an, obwohl sie keine braucht. Der Wille zur Macht läßt einen Säugling unverdrossen weitersaugen, wenn er schon lange gesättigt ist, leitet ein Kind an, dem Bruder das Spielzeug wegzunehmen, treibt Scharen machtanbetender Mädchen dazu, sich anzupreisen. Was treibt einen Ritter durch Qualen zu seinem Siegespreis oder zum Tod? Die Macht des Ruhms. Warum häuft jemand Besitztümer an, die er nicht nutzen kann? Warum unterwirft ein Eroberer Länder, die er niemals sehen wird? Was veranlaßt einen Einsiedler, im schwarzen Schmutz seiner Zelle zu vegetieren, wenn nicht die Verheißung von Macht oder wenigstens Einfluß dereinst im Himmel? Und weisen etwa die kleinen, verrückten Heiligen die Macht der Fürsprache von sich? Nennt mir ein Verbrechen, das sich in den Händen der Macht nicht zur Tugend wandelt. Ja, ist nicht die Tugend selbst eine Art Macht? Philanthropie, gute Werke, Nächstenliebe, verschaffen sie nicht Anwartschaften auf künftige Macht? Die Macht ist der einzige Besitz, der nicht uninteressant und langweilig wird, denn es gibt nie genug davon, und selbst ein alter Mann, in dem die Säfte aller anderen Begierden vertrocknet sind, wird, wenn er sich auf wankenden Knien dem Grab entgegenschleppt, noch immer mit flatternden Händen nach der Macht greifen.
    Meine Schwestern haben Käse für die Mäuse kleiner Sehnsüchte ausgelegt. Sie haben an körperliche Regungen, an die Unrast, an die Erinnerung appelliert. Ich biete Euch kein Geschenk, sondern die Fähigkeit, das Recht, ja, die Pflicht, alles als Geschenk zu fordern, alles, was Euch nur einfällt, und es, wenn Ihr genug davon habt, zu zertrümmern wie einen Topf aus Ton und auf den Kehrichthaufen zu werfen. Ich biete Euch Macht über Männer und Frauen, über ihre Körper, über ihre Hoffnungen, ihre Ängste, ihre Treuebindungen und ihre Sünden. Dies ist die Macht, die den höchsten Genuß bereitet. Denn Ihr könnt die Menschen ein bißchen rennen lassen und sie mit lockerem Prankengriff abfangen, kurz bevor sie den Himmel erreichen. Und wenn Euch dieses Spiel schließlich leid und verächtlich wird, könnt Ihr sie zu zuckenden Klumpen zusammenschrumpfen lassen, als ob Ihr auf ein Regiment von Schnecken Salz streutet, und zusehen, wie sie zerfließen und in ihrem eigenen Schleim verenden.
    Meine Schwestern wollten Eure Gefühle ansprechen. Ich spreche zu Eurem Gehirn. Meine Gabe – das ist eine Leiter, um darauf zu den Sternen emporzusteigen, die Eure Brüder und Euresgleichen sind, von dort herabzublicken und zu Eurem Gaudium den Ameisenhügel der Welt aufzuscheuchen.«
    Morgan spielte kein talentiertes Gaukelspiel. Ihre Worte waren mit leidenschaftlicher Ehrlichkeit

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