Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
Vom Netzwerk:
schreibt. Nun trifft es beinahe immer zu, daß ein Romancier, wenn auch vielleicht unbewußt, sich mit einer Haupt- oder Zentralfigur in seinem Roman identifiziert. In diese Figur legt er nicht nur, was er zu sein glaubt, sondern auch, was er zu sein hofft. Wir können diesen Sprecher als Ich-Darsteller bezeichnen. Sie werden einen solchen in jedem meiner Bücher und in den Romanen aller Autoren finden, an die ich mich erinnern kann. Ganz klar und beinahe mit Händen zu greifen in Hemingways Romanen. Der Soldat, romantisch, immer in irgendeiner Weise verstümmelt – Hand, Hoden. Diese Versehrungen sind die Symbole seiner Begrenzungen. Ich nehme an, meine eigene Symbolfigur hat meinen Wunschtraum von Weisheit und Angenommensein. Bei Malory habe ich den Eindruck, daß sein Ich-Darsteller wohl Lancelot ist. Alles Vollkommene, das Malory kannte, ist in diese Figur eingegangen, alles, dessen er sich selbst für fähig hielt. Doch da er ein ehrlicher Mann war, fand er auch Fehler an sich, Eitelkeit, Gewalttätigkeit, sogar Illoyalität, und diese Fehler gingen dann natürlich auch in seine Traumfigur ein. Und vergessen Sie nicht, daß der Schriftsteller Dinge und Begebenheiten so an- und umordnen kann, daß sie dem näherkommen, wie er sie in seinen Hoffnungen gerne gesehen hätte.
    Und nun kommen wir zum Gral, zur Gralssuche. Ich glaube, es ist wahr, daß jeder Mann, ob Schriftsteller oder nicht, sobald er in die Jahre der Reife kommt, tief in seinem Innern spürt, er wird an der Gralssuche scheitern. Er kennt seine Mängel, seine Schwächen und ist sich seiner vergangenen Sünden bewußt, Sünden wie Grausamkeit, Rücksichtslosigkeit, Illoyalität, Ehebruch, und diese verhindern, daß er den Gral gewinnt. Und deshalb muß der Ich-Darsteller unter dem gleichen schrecklichen Gefühl des Versagens leiden wie sein Schöpfer. Lancelot konnte wegen Malorys eigener Schwächen und Sünden den Gral nicht erschauen. Er weiß, er hat sein Ziel nicht erreicht, und alle seine vortrefflichen Eigenschaften, sein Mut, seine Ritterlichkeit, können in seinen Augen seine Laster und Irrtümer, seine Torheiten nicht wettmachen.
    Ich glaube, so ergeht es, von jeher, jedem Mann auf der Welt, aber festgehalten wird es im wesentlichen nur von den Schriftstellern. Doch für jeden Mann und für jeden Romancier bietet sich eine tröstliche Antwort an. Der Ich-Darsteller vermag den Gral nicht zu erringen, aber dafür gelingt es seinem Sohn, dem Sohn ohne Makel, der Frucht seines Samens und seines Blutes, der seine Tugenden, nicht aber seine Mängel geerbt hat. Und so kann Galahad die Gralssuche vollenden, und weil er aus Lancelots und aus Malorys Samen kommt, hat Malory-Lancelot doch in gewisser Weise die Suche vollendet, ist er im Sproß seiner Lenden zu dem Ruhm gelangt, den seine eigenen Mängel ihm verwehrten.
    Ja, so ist es. Es ist für mich so gewiß wie nur irgend etwas. Gott weiß, ich habe es selbst oft genug erlebt. Und dies macht in meinen Augen all die Inkonsequenzen und dunklen Stellen wett, die die Wissenschaft am Morte entdeckt hat. Und wenn der Morte unausgeglichen und sprunghaft ist, dann weil sein Verfasser sprunghaft war. Manchmal zuckt es feurig auf, dann wieder begegnet man einem schwermütigen Traum, dann aufwallendem Zorn. Denn der Schriftsteller ordnet die Natur um, so daß sie ein verständliches Muster ergibt, und er ist auch ein Lehrer, vor allem aber ist er ein Mensch, Träger aller menschlichen Fehler und Tugenden, Ängste und tapferen Gesinnungen. Und ich habe bisher noch nicht eine einzige Abhandlung gesehen, die in Betracht zieht, daß die Geschichte des Morte die Geschichte Sir Thomas Malorys und seiner Zeit ist, die Geschichte seiner Träume von menschlicher Anständigkeit und seines Wunsches, dem Zyklus eine gute Gestalt zu geben, geformt allein von jener Grundaufrichtigkeit, die Lügen nicht zuläßt.
    So, das war das Problem, und das war die Lösung, und sie erschien beglückend mit der Morgensonne auf den braunen Mauern Roms. Ich wüßte nun gerne, ob Sie überhaupt etwas Einleuchtendes daran finden. Mein Herz und mein Kopf sagen mir, sie ist richtig, ich weiß aber nicht, wie um alles in der Welt ich sie beweisen kann, außer daß ich sie so klar ausspreche, wie ich es nur vermag, so daß der Leser vielleicht sagen wird: »Natürlich, so muß es gewesen sein. Was sonst könnte die Erklärung sein?«
    Lassen Sie mich bitte wissen, was Sie von diesem schwindelerregenden Sprung von Induktion halten. Kann es

Weitere Kostenlose Bücher