König Artus
sein, Sie empfinden ebenso tief wie ich, daß es wahr ist?
Es liegt mir sehr viel daran zu erfahren, was Sie dazu meinen.
VON ERO AN J. S. – NEW YORK, 3. MAI 1957
Ihr Brief über Malory von dieser Woche ist einer der eindrucksvollsten Briefe, die jemals von Ihnen oder sonst jemandem geschrieben wurden. Inzwischen sind Sie wieder zu Hause. Der schöpferische Prozeß hat begonnen. Ich habe noch nie erlebt, daß er so genau beschrieben wurde. Zeit, Ort, Gefühl und Atmosphäre. Der Romancier tritt auf.
Wunderbar, daß Sie allmählich ernsthaft über meine Freundin Guinevere nachdenken, die man bisher so vernachlässigt hat. Vielleicht werden Sie mit ihr nicht viel anfangen wollen, aber sie muß in dem Bild eine wichtige Rolle gespielt haben.
AN ERO UND CHASE – FLORENZ, 9. MAI 1957
Ich schreibe weiterhin in Heftumschläge wie diesen, weil es mir beinahe unmöglich ist, einen Brief für sich zu schreiben. Ich gehe jeden Tag zu den Handwerkerläden und schreibe zugleich meine kleinen Zeitungsschmierereien (die trotzdem ihre Zeit brauchen), und ich gehe auch das durch, was meine Frau im Archiv zutage fördert.
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh und dankbar und erleichtert ich bin, daß Sie meiner Sicht Malorys recht geben. Sie hat mir einen ganz neuen Auftrieb und ein klar erkennbares Ziel gegeben, das ich vorher nie hatte. Und Ihr Rückhalt gibt mir das Gefühl, daß ich irgendwie festen Boden unter den Füßen habe. Chase, Ihre Briefe sind von ganz großem Nutzen für mich und werden zum häufigen Nochmallesen abgelegt. Auch ich, Elizabeth, habe diesen Mangel empfunden, was Guinevere betrifft. Sie war immer Symbol, während sie in Wahrheit eine tolle Frau gewesen sein muß. Ich lese seit einiger Zeit viel über Frauen im Mittelalter und glaube jetzt zu wissen, warum die moderne Wissenschaft sie [Guinevere] sich nur als Symbol vorstellen kann. Damals hat man die Frauen einfach anders angesehen. Das zeigt sich an jeder Phase des Lebens von Frauen, wie es von Zeitgenossen geschildert wird. Baldini gibt ein besonders klares Bild. Malory tut das, glaube ich, auch. Chase, ich weiß, was Sie meinen, wenn Sie schreiben, daß es aussichtslos sei, die Wissenschaft jemals zu einer einhelligen Meinung zu bewegen. Ich könnte ein Kapitel einfügen, in dem ich nichts anderes als ihre Meinungsverschiedenheiten durch die Jahrhunderte aufzähle. Aber was soll’s, ich könnte über weiß Gott was Kapitel einfügen. Ich weiß nicht, in welche Richtung sich die Arbeit jetzt bewegt, aber ich habe immerhin Geschmack daran und eine Tonlage dafür gefunden, und das ist der einzige richtige Anfang. Und ich glaube auch nicht, daß es verkehrt ist, soviel Material durchzuarbeiten, wie ich nur kann. Mit ein bißchen Zeit und einem gewissen Instinkt wird schon etwas von mir selbst zutage treten. Jedenfalls war es bisher immer so. Und alle möglichen Gefühle beginnen sich zur Ebene des Denkens hinaufzuwinden. Aber ich möchte sie noch einige Zeit nicht dort oben haben. Ich will, daß das Ganze noch ziemlich lange herumbrodelt.
AN CHASE – FLORENZ, 17. MAI 1957
Den gestrigen Abend verbrachte ich mit Professor Armando Sapori. Er ist schon ziemlich betagt und kränkelt in letzter Zeit, hat mich aber trotzdem gebeten, ihn aufzusuchen. Ich fragte ihn im Laufe des Abends mehrmals, ob ich gehen sollte, denn ich fürchtete, ihn zu ermüden, doch jedesmal forderte er mich auf, noch zu bleiben. Er spricht kein Englisch, aber einer seiner Studenten, Julio [Giulio] Fossi, dolmetschte für uns, wenn es notwendig wurde. Er [Sapori] ist ein hochgebildeter Mann und drückt sich dabei so einfach aus, daß ich ihn zumeist sehr gut verstand. Während er sprach, kehrte das Mittelalter zurück – die Amalfi-Liga, der Beginn der Renaissance, die Überlieferung des griechischen Denkens und die Idee der Kommune von den Arabern übernommen.
Neulich stieß ich auf Stracheys Bände von Southeys Morte -Übertragung. Die Fassung war gereinigt, damit man sie unbesorgt braven Schuljungen in die Hand geben konnte. Könnten Sie sie uns beschaffen? Die Übersetzung ist gut, aber von einer Entschärfung für Schuljungen will ich nichts wissen. Sollen sich die Jungen selbst vorsehen – und Jungen werden Gott nicht dafür danken.
AN CHASE UND ERO – GRAND HOTEL,
STOCKHOLM, 4. JULI 1957
Ich nahm einen Brief in Angriff, und jetzt haben wir endlich eine gewisse Ordnung in unsere Planung gebracht. Im ersten Teil dieses Briefes hatte ich bis London geplant.
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