König Artus
Fräulein war am Tod meines Vaters schuld. Das also fordere ich.«
Der König war über dieses grausame Verlangen bestürzt. Er sagte: »Die Ehre verbietet mir, diese beiden zu töten, nur damit Ihr Eure Rache bekommt. Verlangt etwas anderes, ich werde es Euch geben.«
»Ich will nichts anderes«, sagte die Dame.
Mittlerweile war Balin zum Aufbruch bereit, und als er die Dame vom See sah, erkannte er in ihr diejenige, die drei Jahre vorher durch geheime Künste den Tod seiner Mutter herbeigeführt hatte. Und als er erfuhr, daß sie seinen Kopf fordere, ging er auf sie zu und rief: »Ihr seid ein bösartiges Geschöpf! Meinen Kopf wollt Ihr? Ich werde mir Euren holen.« Damit zog er sein Schwert und hieb ihr mit einem einzigen Streich den Kopf vom Leib.
»Was habt Ihr getan!« rief Artus. »Ihr habt Schande über mich und meinen Hof gebracht. Ich war dieser Dame zu Dank verpflichtet, und außerdem stand sie unter meinem Schutz. Ich kann Euch diese empörende Tat niemals vergeben.«
»Herr«, sagte Balin, »ich bin bekümmert über Euer Mißfallen, aber ich bereue meine Tat nicht. Sie war eine bösartige Hexe. Mit Zauberkünsten und Hexerei hat sie viele brave Ritter getötet, und mit Arglist und Tücke brachte sie es dahin, daß meine Mutter verbrannt wurde.«
Der König sagte: »Was für einen Grund Ihr auch haben mögt, Ihr hattet kein Recht, das zu tun, zumal in meiner Gegenwart. Es war eine gräßliche Tat und eine schwere Kränkung für mich. Verlaßt jetzt meinen Hof. Ihr seid hier nicht mehr erwünscht.«
Da packte Balin den Kopf der Dame vom See an den Haaren, hob ihn auf und trug ihn in sein Quartier, wo sein Knappe auf ihn wartete. Sie stiegen auf ihre Pferde und ritten aus der Stadt hinaus.
Und Balin sagte: »Ich möchte, daß du diesen Kopf zu meinen Freunden und Verwandten nach Northumberland bringst. Sag ihnen, daß der gefährlichste Feind tot ist. Berichte ihnen, daß ich aus der Haft befreit und wie ich zu diesem zweiten Schwert gekommen bin.«
»Ich bin traurig über Eure Tat«, sagte der Knappe. »Ihr verdient schweren Tadel, weil Ihr Euch die Freundschaft des Königs verscherzt habt. Niemand zweifelt an Eurem Mut, aber Ihr seid ein halsstarriger Ritter und wenn Ihr einmal einen Weg eingeschlagen habt, unfähig, davon abzugehen, selbst wenn er Euch ins Verderben führt. Das ist Euer Fehler und Euer Schicksal.«
Darauf sagte Balin: »Ich habe über eine Möglichkeit nachgedacht, die Huld des Königs zurückzugewinnen. Ich werde zum Lager seines Feindes Lord Royns reiten und ihn töten oder selbst den Tod finden. Sollte es so kommen, daß ich Sieger bleibe, wird König Artus wieder mein Freund sein.«
Der Knappe schüttelte über einen solch verzweifelten Plan zwar den Kopf, sagte aber: »Sir, wo soll ich Euch wiedertreffen?«
»An König Artus’ Hof«, antwortete Balin zuversichtlich und schickte seinen Knappen des Weges.
Dort, am Hof, gedachten der König und alle seine Getreuen voll Trauer und Scham Balins Tat und begruben die Dame vom See mit feierlichem Gepränge.
Am Hof befand sich zu dieser Zeit ein Ritter, der von großem Neid auf Balin verzehrt wurde, weil dieser es geschafft hatte, das Zauberschwert herauszuziehen. Es war Sir Launceor, Sohn des Königs von Irland, ein hochfahrender und ehrgeiziger Mann, der sich für einen der vortrefflichsten Ritter auf dem ganzen Erdenrund hielt. Er bat den König um die Erlaubnis, Balin verfolgen zu dürfen, um die Kränkung von Artus’ Würde zu rächen.
Der König sagte: »Geht – und tut, was Ihr vermögt. Ich bin voll Zorn auf Balin. Tilgt die Schmach, die meinem Hof angetan wurde.«
Als Sir Launceor sich in sein Quartier verfügt hatte, um sich für den Ritt bereit zu machen, erschien Merlin vor König Artus und erfuhr, wie das Schwert herausgezogen und die Dame vom See erschlagen worden war.
Da blickte Merlin auf das Fräulein mit dem Schwert, das am Hof geblieben war. Und er sagte: »Seht das Fräulein an, das hier steht. Sie ist ein tückisches und bösartiges Geschöpf, und sie kann es nicht leugnen. Sie hat einen Bruder, der ein tapferer Ritter und braver, ehrlicher Mann ist. Dieses Fräulein liebte einen anderen Ritter und wurde sein Schätzchen. Und ihr Bruder, der die Schande tilgen wollte, forderte ihren Liebhaber und tötete ihn in fairem Kampf. Da brachte das Fräulein in ihrem Grimm sein Schwert zu der Dame Lyle von Avalon und bat um Beistand, weil sie sich an ihrem eigenen Bruder rächen wollte.«
Merlin fuhr fort:
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