König Artus
Artus am Leben, und er hatte Excalibur wieder. Insgeheim wütete sie gegen ihren Bruder, und sie trauerte um Accolon, doch ihr Gesicht war kalt und gefaßt, sie ließ sich weder Zorn noch Furcht anmerken und vergoß auch vor anderen keine Tränen um ihren toten Liebhaber. Sie wußte, daß sie, wenn sie die Rückkehr des Königs abwartete, verloren war, denn für ihr unaussprechliches Verbrechen gegen ihren Bruder konnte es keine Nachsicht geben.
Mit Engelsmiene ging sie zu Königin Guinevere und bat, sich vom Hof entfernen zu dürfen.
»Könnt Ihr nicht bis zur Rückkehr Eures Bruders, des Königs, warten?« fragte Guinevere.
»Ich wollte, ich könnte es, doch es ist mir unmöglich«, antwortete Morgan. »Ich habe schlimme Nachrichten über eine Revolte auf meinen Gütern. Ich muß sofort hinreisen.«
»Wenn es so steht, dann mögt Ihr gehen«, sagte die Königin.
Noch vor Tagesanbruch versammelte Morgan le Fay vierzig Getreue, ritt mit ihnen davon und gewährte Pferden wie Männern einen Tag und eine Nacht lang keine Rast. Früh am zweiten Morgen kam sie zu dem Kloster, wo, wie sie wußte, Artus lag. Sie ritt dreist hinein und verlangte ihren Bruder zu sehen. Eine Nonne gab ihr zur Antwort: »Er schläft jetzt endlich.Drei Nächte hindurch haben ihm seine Wunden fast keine Ruhe gelassen.«
»Weckt ihn nicht auf«, sagte Morgan. »Ich werde leise hineingehen, um das teure Gesicht meines Bruders zu betrachten.« Sie stieg vom Pferd und trat in so gebieterischer Haltung ins Innere, daß niemand es wagte, sie, die Schwester des Königs, aufzuhalten.
Sie fand sein Gemach und sah im Schein eines Binsenlichts, daß der König schlafend auf dem Bett lag, seine Hand aber den Griff von Excalibur umklammerte. Neben ihm auf dem Bett lag die nackte Klinge. Aus Besorgnis, ihn aus seinem unruhigen Schlaf zu wecken, getraute sich Morgan nicht, das Schwert an sich zu nehmen. Doch auf einer Truhe sah sie die Scheide liegen. Sie versteckte sie unter ihrem Reitumhang, ging hinaus, dankte den Nonnen und ritt eilends von dannen.
Als der König erwachte, vermißte er die Scheide. »Wer hat sie genommen?« fragte er zornig. »Wer ist hier gewesen?«
»Nur Eure Schwester Morgan le Fay, und sie ist wieder fort.«
»Ihr habt mich schlecht bewacht«, rief er. »Sie hat die Scheide meines Schwerts gestohlen.«
Dann raffte Artus sich von seinem Bett hoch, befahl, das beste Pferd zu bringen, das sich auftreiben ließ, und bat Sir Outlake, sich zu wappnen und ihn zu begleiten. Zu zweit galoppierten sie hinter Morgan her.
An einem Wegkreuz begegneten sie einem Kuhhirten und fragten ihn, ob er eine Dame habe vorbeireiten sehen.
»O ja«, antwortete er, »sie ist vor kurzem vorübergekommen und hatte vierzig Reiter bei sich. Sie sind auf diesen Wald dort zugeritten.«
Artus und Sir Outlake jagten weiter, und nach kurzer Zeit erspähten sie Morgan und trieben mit den Peitschen ihre Pferde noch mehr an. Morgan sah sie kommen, hetzte ihr Pferd durch den Wald und hinaus auf freies Gelände, und als sie sah, daß die Verfolger näher kamen, gab sie ihrem Pferd die Sporen und lenkte es in einen kleinen See. »Mit mir mag geschehen was will, aber die Scheide soll er nicht bekommen, weil sie ihn beschützt«, sagte sie zu sich und warf sie so weit hinaus ins Wasser, wie sie konnte. Da sie schwer von Goldschmuck und geschliffenen Steinen war, versank sie rasch.
Dann kehrte Morgan zu ihren Männern zurück und galoppierte weiter, in ein Tal mit großen, aufrechtstehenden Steinen, die Kreise bildeten. Morgan verzauberte ihre Getreuen und sich, und sie verwandelten sich alle in hohe Steine. Als Artus in das Tal hineinritt und die Steine sah, sagte er: »Sie hat Gottes Rache auf sich gezogen. Ich brauche keine Rache mehr zu nehmen.« Er suchte auf der Erde ringsum nach der Scheide seines Schwertes, konnte sie aber nicht finden, da sie im See lag. Und nach einiger Zeit ritt er langsam zurück zu dem Kloster.
Kaum war er fort, nahm Morgan wieder ihre Gestalt an und befreite ihre Männer aus ihren steinernen Hüllen. »Jetzt seid ihr wieder frei«, sagte sie, »aber habt ihr das Gesicht des Königs gesehen?«
»Ja, und es war eisig vor Grimm. Wenn wir nicht in Stein verwandelt worden wären, wären wir davongerannt.«
»Das glaube ich wohl«, sagte sie.
Sie ritten weiter und begegneten unterwegs einem Ritter, der einen Gefangenen in Fesseln und mit verbundenen Augen mit sich führte.
»Was habt Ihr mit diesem Ritter vor?« fragte Morgan.
»Ich
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