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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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da ist er obenauf, da könnte er mit Leichtigkeit über den Mond springen, und Tage, an denen ist er so weit unten, daß ein Erdwurm einen hohen Bogen über ihn schlagen kann.«
    »Die beiden sind erprobte Ritter, mein Fräulein Lyne. Warum ist Eure Wahl auf mich gefallen?«
    »Aus eben diesem Grund. Ihr seid noch nicht erprobt und daher nicht festgelegt. Ein Ritter wurdet Ihr, weil Ihr der Neffe des Königs seid, nicht als Auszeichnung für Verdienste im Kampf. Sagt mir, mein Sohn, seid Ihr ein guter Kämpfer?«
    »Nein, mein Fräulein. Ich bin noch jung und unerfahren und auch nicht sehr kräftig. Ich habe auf dem Turnierplatz ein paar Gänge gegen andere junge Männer gewonnen, aber öfter verloren. Heute wurde ich von einem kampfgeübten Ritter vom Pferd geworfen und fiel zu Boden wie ein Kaninchen, das von einem stumpfen Pfeil getroffen wurde, Gawain konnte ihn freilich auch nicht besiegen.«
    »Gut«, sagte sie. »Sehr gut.«
    »Inwiefern gut, Madame?«
    »Weil Ihr Eure Mängel nicht vervollkommnet habt. Ihr seid gutes Material, aber noch nicht geschmiedet. Ich habe beobachtet, wie Ihr Euch bewegt – Ihr habt die natürliche Gabe, dabei den ganzen Körper einzusetzen. Auf solchen Rohstoff, wie Ihr es seid, habe ich schon lange gewartet. Seht – dort, wo sich der Weg gabelt, reitet nach rechts. Findet Ihr es unschicklich, daß eine Dame meines Alters auf Abenteuer auszieht?«
    »Ich finde es ungewöhnlich, Madame.« Er warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah ihr Gesicht: die Lippen waren vor Vergnügen zusammengepreßt, in den gelben Augen stand eiserne Willensstärke.
    »Ich will Euch sagen, wie das gekommen ist«, fuhr sie fort, »und dann dürft Ihr mich nie mehr danach fragen. Als kleines Mädchen, dem die Handarbeiten verhaßt waren, habe ich die Knaben beim Üben beobachtet. Die hinderlichen langen Kleider waren mir zuwider. Ich war im Reiten besser als sie und auch im Jagen, wie ich bewiesen habe, und an einer Stechpuppe lernte ich den Umgang mit der Lanze. Nur der Zufall, daß ich ein Mädchen war, hat mich daran gehindert, die Knaben auszustechen. Ich haßte mein Geschlecht, das mich so einengte, zog manchmal Knabenkleidung an, setzte eine Gesichtsmaske auf, um der Schande des Entdecktwerdens zu entgehen, und wartete wie ein fahrender Ritter auf einer Waldlichtung auf junge Männer und Knaben. Ich besiegte sie im Ringkampf und mit dem Bauernstock und behauptete mich gegen sie mit Schwert und Schild, bis ich eines Tages in einem fairen Zweikampf einen jungen Ritter tötete. Da bekam ich Angst. Ich begrub seine Leiche, versteckte seine Rüstung und schlich mich zu meinen schützenden Handarbeiten zurück. Ihr wißt, daß einer Dame der Feuertod bestimmt ist, wenn sie an einem Ritter treulos handelt.«
    »Was erzählt Ihr mir da für eine grausige und widernatürliche Geschichte!« rief Sir Ewain.
    »Vielleicht ist sie grausig«, sagte sie. »Aber ich frage mich: wie sehr wider die Natur? Damals wurde mir klar, daß ich auf das Ritterleben verzichten mußte. Und mit Bitterkeit im Herzen schaute ich beim Tjosten und bei den Turnieren zu. Ich bemerkte es, wenn Männer Fehler machten und zu dumm waren, sie zu korrigieren. Meine Gedanken kreisten nur ums Kämpfen, aber um erstklassiges Kämpfen, nicht diese plumpen Schlächtereien, wenn Körper zerhackt werden wie beim Fleischer. Ich habe große Ritter gegeneinander antreten sehen und festgestellt, daß ihre Größe als Kämpen nicht von ungefähr kam. Vielleicht war es ihnen nicht bewußt, aber sie kannten sich mit ihren Waffen und mit ihren Gegnern aus. Ich erkannte überlegene Könnerschaft und studierte sie, sah Fehler und prägte sie mir ein, bis ich über die Kunst des Ritterkampfs vielleicht mehr als irgendein lebender Ritter wußte. Und da saß ich, überreich an Wissen, doch ohne eine Möglichkeit, es zu nutzen, bis ich – als die Säfte meiner Eitelkeit vertrockneten und das Gift meines Zornes schwächer wurde – ein Feld fand, auf dem ich meine Kenntnisse verwerten konnte. Seid Ihr schon einmal einem jungen und unerprobten Ritter begegnet, der fortritt und nach einem Jahr wiederkehrte, gehärtet wie eine Schwertklinge, zielsicher und todbringend wie eine Lanze aus Eschenholz?«
    »O ja. Vergangenes Jahr ist Sir Eglan, den sogar ich überwunden hatte, nach zwölf Monaten Abwesenheit zurückgekehrt und hat bei einem Turnier den Preis gewonnen.«
    Sie lachte vergnügt. »Hat er es also geschafft. Ein braver Junge. Einer der besten, die

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