König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
»Interdiktion« nannte man es, und selbst heute wächst nur wenig im bitteren Staub. In der Ödnis dieser Täler, eine Woche von jedem Ort entfernt, wo man lieber sein wollte, kamen wir am einsamsten Haus der Welt vorbei. Ich habe gelesen, dass im weißen Norden, jenseits eines gefrorenen Meeres, Menschen in Eishäusern wohnen, ohne jemals ihre Felle abzulegen, dass sie sich dort vor einem Wind verkriechen, der einen in Stücke schneiden kann. Aber diese Steinhütte, zwergenhaft zwischen hoch aufragenden Felsen, die Fenster wie leere Augenhöhlen, erschien mir schlimmer. Eine Frau kam heraus, und drei Kinder bezogen vor ihr Aufstellung und beobachteten, wie wir vorbeiritten. Kein Wort wurde gesprochen. In jenem trockenen Tal, nur mit dem Flüstern des Windes, ohne den Ruf einer Krähe oder den Gesang von Lerchen, fühlten sich Worte wie eine Sünde an, als könnten sie etwas wecken, das besser schlafen sollte.
Das Gesicht der Frau war zu weiß und glatt, wirkte wie das Gesicht eines toten Kinds. Und die Kinder drängten sich in grauen Lumpen an ihr.
Auf dem Weg nach Norden hatte uns der Frühling begleitet, und jetzt schienen wir in den Sommer zu galoppieren. Schlamm trocknete zu Ortstein, Blumen verwelkten, Fliegen summten. Rike wurde rot, wie immer, wenn auch nur ein Hauch von Sommer kam, selbst der Dreck bot keinen Schutz, und der Sonnenbrand verbesserte seine Laune nicht.
Wir verließen das Gebirge und seine grimmigen Vorläufer, suchten uns einen Weg durch wildes Heideland und erreichten die großen Wälder des Südens.
Am Ende eines heißen Tages, als mein Gesicht weniger
schmerzte – es war nicht geheilt, nässte aber nicht mehr –, zog ich mein Schwert. Wir hatten unser Lager am Rand einer Lichtung im Wald aufgeschlagen. Row hatte einen Hirsch erlegt, und Fleisch brutzelte über dem Feuer.
»Ich fordere Euch heraus, Sir Makin von Trent!«
»Wenn du glaubst, nicht vergessen zu haben, wie man das Ding benutzt.« Er lächelte und zog seine eigene Klinge. »Mein König.«
Wir übten eine Weile, parierten, täuschten Angriffe vor, streckten unsere Glieder und schwangen die Klingen, um wieder ein Gefühl für sie zu bekommen. Dann plötzlich wurde Makin schneller, und die Spitze seiner Klinge suchte nach mir.
»Zeit für eine weitere Lektion?«, fragte er und lächelte noch immer. Aber diesmal war es ein grimmiges Lächeln.
Ich ließ mich von meinem Schwertarm leiten und achtete nur auf den Verlauf des Kampfes, auf das Muster aus Vorstoßen und Zurückweichen, nicht auf die Einzelheiten eines jeden Hiebs. Hinter Makin schien die Sonne durchs Blätterdach des Waldes, sie schickte goldene Schäfte zu Boden, wie die Saiten einer Harfe, und unter dem Rascheln der Blätter und dem Gezwitscher der Vögel hörte ich das Schwertlied. Die Geschwindigkeit unserer Klingen nahm zu, Stahl klirrte auf Stahl, unser Atmen wurde zu einem Keuchen – immer schneller. Die Narben in meinem Gesicht schienen erneut Feuer zu fangen. Der alte Schmerz brannte in mir, Säure und Blitz, als steckten brennende Teile von Gog in meinen Knochen. Schneller. Ich sah Makins Lächeln verblassen, den Schweiß auf seiner Stirn. Schneller. Das Flackern von reflektiertem Licht in seinen Augen. Schneller. Ein Moment der Verzweiflung, und dann … »Genug!« Und er ließ sein Schwert los. »Jesus!«, ächzte er und schüttelte den Kopf. »So kämpft niemand.«
Womit die Brüder auch beschäftigt waren, sie unterbrachen ihre Tätigkeit und starrten so verblüfft, als wüssten sie nicht genau, was sie gesehen hatten.
Ich zuckte die Schultern. »Vielleicht bist du kein so schlechter Lehrer?«
Meine Arme zitterten jetzt, und mit der freien Hand lenkte ich die Klinge in ihre Scheide. »Au!« Für einen Moment dachte ich, ich hätte mich geschnitten. Ich hob die Fingerspitzen, sah jedoch kein Blut an ihnen, sondern eine Blase dort, wo mich das heiße Metall verbrannt hatte.
Wir folgten der Wölbung der Bergkette und den Kurven erst eines großen Flusses und dann eines anderen. Die Karten hatten Namen für sie, und manchmal hatten die Einheimischen eigene Namen, die sie den Karten nicht anvertrauten. Gelegentlich nannten die Leute stromaufwärts den Fluss anders als die weiter stromabwärts. Es spielte keine große Rolle, solange uns die Flüsse dorthin brachten, wohin ich wollte. Allerdings schienen wir nach einer Weile bei jeder Flussbiegung aufgehalten zu werden. Wachtürme, Patrouillen, Überschwemmungen, Gerüchte von Seuchen –
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