König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Licht, um zu glänzen, selbst im Nebel. »Oh«, sagte sie.
»Gnä’ Frau.« Ich deutete eine Verbeugung an, und es war nicht einmal eine richtige Andeutung, denn mein Kopf senkte sich um nicht mehr als eine Haaresbreite.
»Es tut mir sehr leid«, sagte die Frau. »Ich habe keinen Besuch erwartet.« Sie schien nicht älter als fünfundzwanzig zu sein, hatte blondes Haar und war auf eine abgemagerte Weise hübsch. So schlicht ihre Kleidung aus Leinen auch sein mochte, wenigstens war sie sauber.
Zwischen den Hütten auf der linken Seite kam ein Mann um die fünfzig in Sicht. Er schleppte ein hölzernes Fass, rollte es von der Schulter auf einen Stapel Heu und hob die Hand. »Willkommen!«, sagte er, rieb sich die weißen Stoppeln am Kinn und sah in den Nebel. »Du hast das Wetter mitgebracht, junger Herr.«
»Komm herein«, sagte die Frau. »Ich habe einen Topf auf dem Feuer. Es ist nur Haferbrei, aber wir teilen ihn gern mit dir. Ma! Ma! Hol den guten Topf.«
Ich drehte mich um und sah Makin an, der die Schultern zuckte. Kent beobachtete den Alten, mit großen Augen und die Hand fest um den Griff seiner nordischen Axt geschlossen.
»Es tut mir so leid. Ich bin Ruth. Ruth Millson. Wie unhöflich von mir. Das ist Bruder Robert.« Die Frau deutete auf den alten Mann, als er die Hütte betrat, neben der er das Fass abgesetzt hatte. »Wir nennen ihn ›Bruder‹, weil er drei Jahre im
Kloster von Gohan verbracht hat. Sehr gut kam er mit dem Leben als Mönch nicht zurecht!« Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Komm herein!«
Eine Erinnerung erwachte in mir. Gohan. Ich kannte ein Gohan näher bei meiner Heimat.
»Gilt deine Gastfreundschaft auch für meinen Freund?«, fragte ich und zeigte auf Makin.
Ruth drehte sich um und ging zur Hütte. »Nur keine Hemmungen. Wir haben genug für alle. Nicht reichlich, aber genug, und ist nicht ein leerer Bauch die größte Sünde?«
Ich folgte ihr, und Makin blieb dicht hinter mir. Wir mussten uns beide ducken, um nicht gegen den Oberbalken der Tür zu stoßen. Ich hatte Dreck im Innern erwartet, vielleicht sogar fauligen Schlamm, aber stattdessen war alles trocken und sauber. Eine brennende Laterne stand auf dem Tisch, aus Messing und auf Hochglanz poliert, wie ein kostbares Erbstück. An Schatten mangelte es nicht, und die Fensterläden waren geschlossen, als drohte draußen die Nacht. Makin schob sein Schwert in die Scheide. Ich war nicht so höflich.
Ich sah mich um. Etwas fehlte. Oder ich übersah etwas.
Rike stand draußen und überragte die anderen Brüder in seiner Nähe. Sie boten einen seltsamen Anblick, wie sie voller Waffen dastanden und zwei jungen Mädchen nachsahen, die lachend vorbeiliefen. Eine alte Frau kam mit einem Bündel unter dem Arm herangehumpelt, murmelte vor sich hin und achtete nicht auf Grumlows Dolche.
»Ruth«, sagte ich.
»Setz dich! Setz dich!«, rief sie. »Du siehst halb tot aus. Du bist nur ein Junge. Ein großer, aber trotzdem ein Junge. Das sehe ich. Und Jungen müssen essen. Ist das nicht so, Ma?« Sie hob die Hand zum Hals, eine unwillkürliche Geste, und strich
sich über die Kehle. Blass war die Haut, sehr blass. In der Sonne würde sie schlimmer verbrennen als Rike.
»Ja, das stimmt.« Die Mutter steckte den Kopf durch die Tür des einen Nebenzimmers. Graues Haar säumte ein Gesicht, dessen strenge Linien von einem weichen Mund gemildert wurden. »Und wie lautet der Name des Jungen?«
»Jorg«, sagte ich. Normalerweise nenne ich gern Rang und Titel, aber dies schien mir nicht der geeignete Ort zu sein.
»Makin«, sagte Makin, obwohl Ruth nur Augen für mich hatte. Was ich für sonderbar hielt, denn selbst wenn ich vor den Verbrennungen hübsch gewesen sein mag, es ist Makin, der mit allen gut zurechtkommt.
»Und gibt es einen Herrn Millson?«, fragte Makin.
»Setz dich«, wiederholte Ruth. Und so setzte ich mich, und Makin nahm ebenfalls Platz – er ließ sich in den Schaukelstuhl am Kamin sinken. Ich lehnte mein Schwert an den Tisch; die Frau achtete überhaupt nicht darauf.
Ruth nahm eine Wolljacke, die hinter meinem Stuhl lag. »Jamie würde seinen Kopf vergessen, wenn er nicht angewachsen wäre!«
»Hast du einen Mann?«, fragte ich.
Sie runzelte die Stirn, und ihr Gesicht verdunkelte sich ein wenig. »Er ging vor zwei Jahren zur Burg. Um in die Dienste des Herzogs zu treten.« Ihre Miene erhellte sich wieder. »Jedenfalls, du bist zu jung für mich. Ich sollte Seska rufen. Sie ist hübsch wie der Morgen.«
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