König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
wuchs.
»Will er mich vielleicht mehr als dich, Chella? Ist es das? Hat dich dein neuer König nur ausgegraben, damit du mich für ihn findest?« Ich zeigte ihr mein bestes Lächeln. Die Worte enthielten Wahrheit: Chella konnte den Zorn nicht verbergen, den sie in ihr weckten. Umso besser: Ein zorniger Feind ist der beste Feind. Aber was der Tote König gegen mich haben sollte, blieb mir ein Rätsel.
»Komm und nimm mich.« Ich lud sie erneut ein, winkte ihr zu und hoffte, sie in meine Reichweite locken zu können. Mit der freien Hand schob ich Makin zur Seite. »Ich weiß, dass da eine nackte Frau steht und so, aber wenn du die Brüder in nützlichere Richtungen lenken könntest, wäre es weniger wahrscheinlich, dass uns ihre Freunde fressen.«
»Ich soll kommen und dich nehmen?« Chella lächelte und hatte den Zorn überwunden. Sie hob die Hand, wischte den Mund ab und warf Schlamm beiseite. Blutrot waren ihre Lippen. »Ich will dich, ja. Aber nicht, um dich zu zerbrechen. Ich
kenne dein Herz, Jorg. Komm an meine Seite. Gemeinsam können wir mehr sein als Fleisch.«
Chella brachte einen Schmerz in meine Lenden, ich kann es nicht leugnen, als wäre die Linie zwischen Lust und Abscheu so vollständig ausgelöscht wie das Dorf. Ein Teil von mir wollte ihre Herausforderung annehmen.
Man muss seine Ängste fangen und besiegen, hatte ich Gog gesagt. Sie sind deine einzigen wahren Feinde. Und was ist der Tod, wenn nicht die größte Angst von allen, der letzte Feind? Ich hatte das kalte Herz eines Nekromanten gegessen. Vielleicht sollte ich Chella nehmen, den Tod an der Kehle packen und ihn zu meinem Diener machen. Ich dachte an die Frauen, die in ihrem Haus verbrannten. »Du bist weniger als Fleisch«, sagte ich.
»Grausame Worte.« Chella lächelte und trat näher. Die fließenden Bewegungen ihres Körpers hielten meinen Blick fest. Der Tanz ihrer Brüste, das Schwingen ihrer Hüften, der rote Mund. »Es gibt Magie zwischen uns, Jorg. Du hast sie doch bestimmt gefühlt, oder? Wirft sie kein Echo in deiner Brust? Untermalt sie nicht das Schlagen deines Herzens, mein Lieber? Wir sind füreinander bestimmt. Der Tote König hat mir gesagt, dass ich dich haben kann. Er hat mich aufgefordert, dich zu ihm zu bringen. Und das werde ich.«
»Du wirst in der Hölle lange auf mich warten müssen«, sagte ich. »Denn ich beabsichtige, dich dorthin zurückzuschicken, jetzt sofort.« Keine besonders starken Worte, zugegeben, aber die Erwähnung des Toten Königs brachte mich aus dem Konzept.
Chella lächelte und formte mit ihren roten Lippen einen Kuss. »Bist du böse auf mich, weil ich dir deine Geister gezeigt habe? Nicht ich habe sie erschaffen, Jorg.«
Das stahl mir die Gewissheit. Erneut sah ich Ruth und ihre Mutter, vom heißen Licht der Erbauer-Sonne verbrannt. »Ich wusste nicht …«
»Du hast nicht gewusst, dass eine Sonne sie verbrennen würde. Du dachtest an eine übers Land rollende Giftwolke, nicht wahr? Wenn Ruth und ihre Mutter an ihren eigenen Gedärmen erstickt wären, wenn sie aus Augen und After geblutet und anders geschrien hätten … Wäre das in Ordnung gewesen, weil es dem Plan entsprochen hätte?« Chella kam noch etwas näher, erbarmungslos.
Ich konnte keine Antwort darauf geben. Ich hatte daran gedacht, die Rote Burg zu vergiften, und mir war klar gewesen, dass alle in ihr sterben würden, nicht nur die Krieger. Und wenn sich das Gift ausgebreitet hätte? Ich hatte nicht gewusst, wie weit es reichen würde, und ich hatte mich auch nicht darum geschert.
»Weißt du, was Männer wirklich fürchten, Chella?«, fragte ich.
»Sag es mir.« Sie strich mit den Händen über ihre Hüften und über den Bauch, verschmierte dunklen Schlamm auf dunkler Haut.
Makin drückte mir die Armbrust des Nubiers in die Hand. Ich ergriff sie. Für eine Hand war sie fast zu schwer.
»Männer haben Angst vor dem Sterben. Nicht vor dem Tod. Männer wollen, dass es schnell und sauber geschieht. Das ist das Schlimmste, eine Wunde, die einen langsam sterben lässt. Habe ich nicht recht, Makin?«
»Ja«, bestätigte er. Makin ist kein Mann weniger Worte, aber es kann sehr schwer sein, den Zauber eines Nekromanten zu durchbrechen.
»Davor fürchten sich die Brüder, vor langsamem Sterben«,
sagte ich. »Lass mich nicht langsam sterben, sagen sie. Und weißt du, was es bedeutet, untot zu sein, Chella? Es ist die höchste Form des langsamen Sterbens. Ein Feigling stirbt tausendmal, erzählt uns der Barde. Und was ist
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