König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Herzog verwandelt hatte. Man müsste die Augen des Gottes der Adler haben, um den Honasberg von irgendeinem Fenster in Cantanlona zu sehen. Und doch … Ruth glaubte, was sie sagte.
Sie wandte sich vom Fenster ab, die rechte Hälfte von ihr so scharlachrot, als hätte man sie in kochendes Wasser getaucht.
31
Vier Jahre zuvor
Ich stand abrupt auf, schneller noch als Makin. »Wenn uns die Damen bitte entschuldigen würden … Wir müssen gehen.«
»Wir?«, fragte die Mutter von der Küchentür, halb rot wie ihre Tochter, aber auf der linken, nicht der rechten Seite, als ob sie zusammen eine ganze unberührte Frau ergäben und eine ganze verbrannte.
»Es gibt nur dich, Jorg«, sagte Ruth. Eine Seite ihres Gesichts warf nässende Blasen. »Es hat immer nur dich für uns gegeben.« Sie spuckte zwei Zähne – zwei Schneidezähne, einen oberen und einen unteren –, wodurch ihr Lächeln eine Lücke bekam.
Makin schob sich an mir vorbei und trat nach draußen in den Nebel. Ich folgte ihm und behielt die beiden Frauen im Auge, als ich mit dem Schwert in der Hand rückwärts ging. Ruths Lächeln fesselte meinen Blick, und ich vergaß ihren Jungen. Er klammerte sich an mein Bein, und die Haut löste sich wie nasses Papier von ihm. »Wer bist du? Wer bist du, Herr?«
»Nur dich, Jorg«, sagte seine Mutter. Ihr Kopf war jetzt kahl, bis auf einige kleine weiße Haarbüschel, hier und dort. »Seit die Sonne kam.« Sie hob die Hand zum Fenster.
Der Nebel erhellte sich mit einem gelben Glühen und wich wie ein Tischtuch zurück, das jemand über den Sumpf zog, so schnell, dass alles andere an Ort und Stelle blieb.
Dort draußen über dem Sumpf schien eine zweite Sonne aufzugehen, zu schrecklich und zu hell, als dass man den Blick auf sie richten konnte, und zu grässlich, um den Blick abzuwenden. Eine Sonne der Erbauer.
Beide Frauen schrien gleichzeitig. Ruths Haar stand plötzlich in Flammen, und die Kopfhaut ihrer Mutter schwelte. Ich schüttelte Jamie von meinem Bein. Er stieß gegen die Wand, und Teile seiner Haut blieben an meiner Hose kleben. Ich wich von der Hütte zurück. Schreie ertönten, und sie klangen vertraut. So hatte ich geschrien, als Gog mich verbrannt hatte. Mein Hund Gerechtigkeit hatte so geheult, im Feuer meines Vaters.
Früher einmal hätte ich zwei Frauen, die um ein Feuer liefen, für eine lustige Vorstellung gehalten. Rike lachte sein Lachen von damals selbst heute noch. Row würde darauf wetten, welche zuerst fiel. Aber seit einiger Zeit fand ich an so etwas keinen Gefallen mehr. Ich war erwachsen genug geworden, diese Art von Schmerz zu verstehen. Und welcher Zauber auch immer diese Vorstellung für mich ermöglicht hatte, für die beiden Frauen war alles echt gewesen. Sie hatten entsprechend empfunden. Eine Wahrheit verbarg sich in dieser Lüge, und sie gefiel mir nicht.
Draußen schien die Sonne und beobachtete uns von ihrer Vormittagshöhe. Die Schreie schienen aus immer größerer Ferne zu kommen.
»Teufel.« Der Rote Kent drehte den Kopf. »Wohin ist der Nebel verschwunden?«
»Ist das nicht eine seltsame Sache?« Row spuckte.
Die Hütten waren voller Schlamm. Das Holz, aus dem sie bestanden, schien halb verfault zu sein. Die Dächer fehlten.
»Was hast du dort drin gesehen, Makin?«, fragte ich und beobachtete die Tür. Kein Feuer. Kein Rauch. Das Innere der Hütte blieb dunkel, als reichte das Licht der Sonne nicht hinein, trotz des fehlenden Daches.
Er schüttelte den Kopf.
»Sie sinken«, sagte Rike.
Ich sah es. Zentimeter um Zentimeter sanken die Hütten in den weichen Boden des Sumpfes. Das Geräusch erinnerte mich an Sex, obwohl mir nichts ferner lag.
»Sie kehren zurück«, sagte Sim. Er wahrte sicheren Abstand.
Vermutlich hatte er recht. Wenn wir jetzt, nach dem Verschwinden des Nebels, wieder die Realität sahen, so mussten auch die Hütten verschwinden, denn sie waren vor langer Zeit im Morast versunken. Etwas hatte den Sumpf veranlasst, sie für uns auszuwürgen, und jetzt nahm er sie zurück.
»Was ist passiert?«, fragte Makin, obwohl sein Gesicht sagte, dass er es lieber nicht wissen wollte.
»Es waren Geister«, antwortete ich. »Für mich bestimmt.« Um mir einen Eindruck vom Leid bei Gelleth zu vermitteln. Um mir Menschen zu zeigen, die meinetwegen gestorben waren. »Sie können uns nichts tun.«
Nach wenigen Minuten waren die Hütten ganz versunken, und auf dem Boden zeigte sich keine Spur mehr von ihnen. Ich beobachtete den Horizont. Nichts als Sumpf,
Weitere Kostenlose Bücher