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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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alte Männer geben, die noch nie Schnee gesehen haben. Demzufolge sind die Fenster groß und ohne Glas, und ihre dicken Läden bleiben vom frühen Frühling bis zum späten Herbst geöffnet. Mit festem Griff am Rand der Regenrinne und dem linken Fuß unter der untersten Dachpfannenreihe ließ ich den Kopf nach unten hängen und blickte durch ein hohes Fenster in den großen Saal.
    Das eine Ende des langen Tisches war mit Silber und Kristall gedeckt. In Wandlampen brannte rauchlos Öl, und ein einladender Schein ging von den Flammen aus. Ein Bediensteter brachte drei Karaffen, zwei mit weißem Wein gefüllt und eine mit rotem. Ausgewählte Hauswächter in mit Federn geschmückten Prachtuniformen standen an sechs Stellen im Saal Wache.
    Der Bedienstete ging. Einige Minuten verstrichen. Das Blut sank mir in den Kopf, die Augen begannen zu prickeln und zu jucken, und meine Finger wurden dort taub, wo sie die steinerne Regenrinne umklammerten. Ich hörte Geräusche unten im Hof. Eine kurze Aufregung. Ich beschloss, mich nicht zu bewegen. Stille kehrte zurück.
    Schließlich öffnete sich die große schwarze Eichentür. Zwei Bedienstete traten hindurch und hielten sie weit auf, für meinen Onkel und Lady Agath. Dienstmädchen rückten die Stühle für sie zurecht, und sie nahmen ihre Plätze ein. Zwei weitere Damen folgten, alte Schachteln, die ich aus dem Damensaal kannte. Ein junger Mann mit dickem Bauch betrat den Saal,
trotz der Wärme in Samt gehüllt. Meine Großmutter, die ich einmal in der Hohen Burg gesehen hatte trat ein, begleitet von einem Pagen. Unsicher blickte sie sich um, das Haar weiß, die Haut blass, dünn und abgehärmt. Dann kam mein Großvater und nahm den Stuhl mit der hohen Rückenlehne an der Spitze der Tafel. Graf Hansa überraschte mich; er sah nur wenig älter aus als mein Vater, ein kräftig gebauter Mann mit kurzem grauen Bart und langem, dichtem Haar, in dem das Schwarz noch nicht ganz fehlte.
    Mehr Bedienstete kamen und brachten silberne Teller mit Deckeln.
    Ein Schweißtropfen verließ meine Nase und fiel in die Dunkelheit. Mir wurde schwindelig – zu viel Blut im Kopf.
    Die Deckel wurden gehoben, von allen Dienern gleichzeitig, und gaben den Blick auf die Köstlichkeiten dieses Abends frei. Keine Schlangen, kein Reis.
    Ich glitt mit weniger Eleganz als erhofft, schwang mich ungelenk zum Fenster und setzte mich, von beiden Händen gestützt, auf den Sims. Fast wäre es zu dem blutigen Platschen gekommen. Mit dem Kopf nach unten zu hängen, bevor man es mit Akrobatik versucht, ist nicht empfehlenswert.
    Ich hatte gehofft, noch etwas länger unbemerkt zu bleiben, aber vielleicht war Lady Agath die einzige Person im Saal, die nicht aufsah.
    Der dicke junge Mann sprang auf, und mehrere der Damen kreischten. Lord Robert rief die Hauswächter, um den Grafen zu schützen. Der Graf Hansa blieb ganz ruhig, trank einen Schluck Wein und verkündete: »Ich hatte einen Enkel namens William Ankrath.«
    »Und ich hatte einen Bruder mit diesem Namen«, erwiderte ich laut.
    Daraufhin stand mein Onkel auf.
    Ich ließ den Fenstersims los, und eine kurze Bewegung schickte mein Messer auf die Reise. Es bohrte sich in den Teller, der mitten auf dem Tisch stand – gelbe Kartoffelscheiben, mit Meersalz und zermahlenen schwarzen Pfefferkörnern bestreut, sprangen über den Tisch. Meine Fingerknöchel waren noch wund und angeschwollen vom Spinnenbiss, und das Messer war viel dichter als von mir beabsichtigt am Ohr einer alten Dame vorbeigeflogen.
    Noch mehr Gekreische. »Es ist der verdammte Junge!«, rief Lady Agath, die mich schließlich erspäht hatte.
    »Gefällt dir unsere Mahlzeit nicht … Neffe?«, fragte Lord Robert.
    »Ich fürchte, wenn ihr den Inhalt jenes Tellers esst, habe ich im Süden bald keine Verwandten mehr. Dann könnte ich der Erbe der Grafschaft sein!«
    »Komm besser hierher, Jorg«, sagte mein Großvater.
    Ich muss zu meiner Schande eingestehen, dass ich eine Leiter brauchte. Die Innenwände des großen Saals waren glatt, und ein Sprung aus dieser Höhe hätte mir die Beine gebrochen. Eine Leiter hinunterzuklettern, mit dem Hintern den Beobachtern zugewandt, war nicht unbedingt der beeindruckendste aller Auftritte, aber ich hatte ihnen gerade das Leben gerettet.
    »Du glaubst, unser Essen ist vergiftet?«, fragte Großvater.
    Ich nahm eine silberne Gabel und spießte eine Kartoffelscheibe auf. »Lass Qalasadi herkommen. Mal sehen, ob er dies hier probieren möchte.«
    Lord Robert

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