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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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seinem Pferd und Jackart und Talbar rechts und links von ihm. Ich stand mit der Absicht auf, nach der Jagdbeute zu fragen, überlegte es mir aber anders, als ich die ernsten
Mienen sah; Egans Miene war besonders finster. Die kleine Jesseth wusste es nicht besser, lief den Reitern entgegen und fragte ihren Vater, ob er ihr ein Reh oder einen Bock mitgebracht hatte. Lord Jackart fiel praktisch aus dem Sattel und hielt seine Tochter einen Moment später in den Armen, bevor Egan zu Boden springen konnte. So wie Egan dem Mann nachstarrte … Ich dachte, Jackart hätte in Flammen aufgehen können. Und dann sah ich das Blut, dunkel und klebrig an Egans Händen, wie schwarze Handschuhe, mit Spritzern auf den Unterarmen.
    »Ich hacke Holz.« Mehr sagte Egan nicht, stapfte fort und rief nach einer Axt.
    Lord Jackart trug seine Tochter zu ihrem Pavillon, und Lady Jackart folgte ihm eilig. So dumm sie auch sein mochte, wenigstens war sie vernünftig genug zu wissen, wann man sich besser unauffällig verhält.
    »Egan hat Xanthos in einen Hakendornstrauch laufen lassen«, teilte mir Orrin mit. Er breitete die Arme aus. »Ich habe ihn ebenfalls nicht gesehen.«
    »Aber Ihr habt ihm gesagt, dass er langsamer reiten und aufpassen soll.« Sir Talbar rieb sich den Schnurrbart und schüttelte den Kopf .
    »Egan gibt eine Jagd nicht so einfach auf, Talbar. Der Hirsch muss ein Achtzehnender gewesen sein.« Orrin schafft es, die Schwäche eines Mannes als Stärke darzustellen. Vielleicht liegt es an dem Guten in ihm. Jedenfalls, es ist einer der Gründe, warum Männer ihm folgen und ihn lieben. Vielleicht wirkt sich die gleiche Magie bei mir aus, ich weiß es nicht.
    »Armer Xanthos.« Der Hengst war prachtvoll gewesen, benannt nach dem Pferd des Achill, schwarz wie Steinöl, mit Muskeln, die sich unter der glatten Haut abzeichneten. Ich
hatte ihn selbst reiten wollen, aber mit Egan ist schwer zu reden, ergibt mir das Gefühl, ihn mit jedem Wort zu erzürnen. »Wir haben nicht so viele Pferde in Scorron, aber ich habe nie gehört, dass eins einem Hakendorn zum Opfer gefallen wäre.« Dann verstand ich, oder glaubte wenigstens zu verstehen. »Hat er sich das Bein gebrochen? Armer Xanthos.« Orrin schüttelte den Kopf. Sir Talbar drehte den Kopf zur Seite und spuckte.
    »Hakendorn ist ein teuflisches Zeug«, sagte Orrin. »Es grenzte an ein Wunder, dass er sich kein Bein brach, aber die Dornen rissen ihm die Seiten auf.«
    »Der Pferdemeister, der Schirurg … Hätte er die Wunden nicht nähen können?« Ich konnte mir nicht vorstellen, wie solche Verletzungen fatal sein sollten.
    Orrin schüttelte erneut den Kopf. »Ich habe so etwas schon einmal gesehen, und der Arzt Mastricoles spricht in seinem Meisterwerk davon, selbst in den Fußnoten von Franco Hentis’ ›Botanik‹ ist davon die Rede. Die Dornen des Hakendorns haben Widerhaken, die in der Wunde steckenbleiben und das Blut vergiften, das Tier töten. Selbst Menschen können sterben. Sir Talbars Onkel bekam zwei Dornen in die Hand. Die Wunde wurde geschnitten, gereinigt und mit Salbe behandelt, bekam aber trotzdem die schwarze Fäule. Er verlor die Hand, dann den Arm und schließlich den Rest seiner Tage.«
    Ich verstand das Blut. »Wenigstens hat Egan dem Hengst ein schnelles Ende gegeben.«
    Orrin neigte den Kopf. »Er starb keinen langsamen Tod.«
    Sir Talbar sah Orrin an, wandte den Blick ab und sagte nichts mehr.
    Später bin ich ein wenig mit Jesseth gewandert und habe sie reden lassen, während wir am Rand der Lichtung unterwegs waren. Aus dem Wald kamen die Geräusche von Axthieben. Egan hatte reichlich Holz gehackt; den Köchen stand bereits zehnmal so viel Feuerholz zur Verfügung, wie sie brauchten. Jetzt fällte Egan Bäume. Eine Stunde später kam er hinter einigen Ulmen hervor und stapfte an der Stelle vorbei, wo Jesseth und ich im Gras saßen. Das Blut war von seinen Armen verschwunden, und Schweiß glänzte an einem Körper, der ebenso geschmeidig wie der von Xanthos war. Er nickte uns nur kurz zu und ging dann wortlos weiter, mit der Axt auf der Schulter.
    »Ich mag ihn nicht«, flüsterte Jesseth.
    »Warum nicht?«, fragte ich und beugte mich mit einem verschwörerischen Lächeln zu ihr.
    »Er hat sein Pferd getötet.« Jesseth nickte, wie um zu beweisen, dass es keine Lüge war.
    »Aber damit hat er es von seinen Leiden erlöst.«
    »Mutter sagt, er hat ihm mit seinem Schwert den Kopf abgeschnitten, weil der Hirsch entkam.«
     
    25. Juli, Jahr 99

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