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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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wird neu erblühen. Es bedeutet Leben für Tausende und Abertausende, die sonst gestorben wären. Im Frieden kehrt die Wissenschaft zu uns zurück. Und ich leite die Hand des Kaisers, damit alles
gut wird. Ist das nicht mehr wert als du, Jorg? Ist das nicht das Leben eines einzelnen Säuglings wert?«
    Ich schreie und springe ihm entgegen, als könnte Zorn den Kummer vertreiben, doch was ich getan habe, hat einen Riss in mich gebracht, und durch diesen Riss gießt Sageous Wahnsinn, jede Menge davon. Ich taumele blind und heule.
    Ich sehe nichts mehr. Überhaupt nichts, bis dieser Moment mich in das leere Kästchen starren lässt, das seinen Deckel verloren hat.
    So viel Wahnsinn und Bedauern strömten in mich, dass kein Platz für Erinnerungen blieb, nichts für das Kästchen. Welche Instinkte oder welches Glück mich ohne Entdeckung aus der Burg brachten, oder wie viele Leichen ich dabei zurückließ, kann ich nicht sagen.
    »Jorg?«
    Ich drehte mich um und sah Miana an. Meine Wangen waren feucht von Tränen. Sageous’ Magie prickelte unter meiner Haut, aber es war nicht sein Zauber, der die Leere in mir schuf. Ich habe meinen Bruder getötet.
    Sein Geist lag auf dem Bett, hinter Miana ausgestreckt. Nicht der weiche Säugling, sondern der kleine Junge von vier Jahren, der er gewesen wäre. Zum ersten Mal lächelte er mich an, als wären wir Freunde und als freute er sich, mich zu sehen. Seine Gestalt verblasste, während ich ihn noch beobachtete, und ich wusste, dass er nicht zurückkehren, nicht wachsen oder heilen würde.
    Jemand hämmerte an die Tür. »Sire, das Tor ist offen!«
    Ich wich an die Wand zurück und sank zu Boden. »Ich habe ihn getötet.«
    »Jorg?«, fragte Miana besorgt. »Der Feind kommt durchs Tor.«
    »Ich habe meinen Bruder getötet, Miana«, erwiderte ich. »Soll der Feind kommen.«

Aus dem Tagebuch von Katherine Ap Scorron
    28. März, Jahr 99 Interregnum
    Hohe Burg. Kapelle.
     
    Degran ist tot. Der Sohn meiner Schwester ist tot. Ich kann nicht davon schreiben.
     
    29. März, Jahr 99 Interregnum
    Jorg hat es getan. Er hinterließ eine Spur aus Leichen, die an Degrans Tür endete und begann.
    Ich will ihn dafür sterben sehen.
    Es steckt so viel Zorn in mir. Meine Zähne sind fest zusammengebissen, ich bekomme sie nicht mehr auseinander. Wenn Friar Glen nicht bereits tot wäre, wenn sich Sageous in der Burg befände … Beide würden den nächsten Morgen nicht erleben.
     
    31. März, Jahr 99 Interregnum
     
    Heute haben wir ihn beerdigt. Dort, wo Olidans Familie bestattet liegt. Ein kleiner weißer Marmorsarg für ihn. Für den kleinen Degran. Er wirkte so winzig, schien selbst für Degran zu klein zu sein. Mir kommen die Tränen, wenn ich daran denke, dass er dort drin liegt, ganz allein.
    Maery Coddin sang das Letzte Lied für ihn, meinen Neffen. Sie hat eine hohe, reine Stimme, die in der Gruft widerhallte, und ich habe geweint. Die Zofen meiner Schwester
legten weiße Blumen auf das Grab, jeweils eine, und auch sie weinten.
    Pater Eldar war von Unserer Lieben Frau in Crath City gekommen, um die Worte zu sprechen, denn wir haben keine heiligen Männer in der Burg. Jorg hat sie alle gestohlen oder getötet. Und als Pater Eldar fertig war, als er vorgelesen, vom Tal der Todesschatten und dem Fürchte Kein Unglück gesprochen hatte, gingen wir alle. Sareth ging nicht. Sir Reilly musste die Schreiende tragen. Ich verstand. Wenn es mein Junge gewesen wäre, ich hätte ihn nicht dort zurücklassen können. Lieber Gott, ich kann ein Kind in meinem Bauch vergiften, es mit Blut und Schleim aus mir fallen lassen, aber wenn ich es in den Armen gehalten, seine Augen gesehen und seine Lippen berührt hätte … Dann wäre mehr nötig gewesen als ein Sir Reilly, um mich aus der Gruft zu zerren.
     
    2. April, Jahr 99 Interregnum
     
    Ich habe mir noch einmal die früheren Einträge in diesem Tagebuch angesehen und bin über die Seiten hinweg meinen Träumen gefolgt. Zumindest denen, über die ich geschrieben habe, aber offenbar habe ich über viele von ihnen geschrieben, als ob sie eine Last für mich wären. Ich erinnere mich nicht an sie. Vielleicht verließen sie mich, als ich über sie schrieb.
    Ich möchte auch nicht zurückblättern. Es fühlt sich an, als läge eine andere Hand auf der meinen und hielte sie unten. Doch ich lasse mich nicht zurückhalten.
    Ich erkenne es jetzt: wie mich der Heide manipulierte, wie er mich einem Pferd gleich lenkte, mit knappen Bewegungen der Peitsche, hier

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