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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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wilden Zwiebeln erzählten. Ich begann zu träumen, während wir gingen, und meine Nase führte mich durch die Jahre zurück zu William. Eine Nacht fiel mir ein, als mein Bruder krank gewesen war, meine Mutter weinte und die Tafelritter es vermieden, mir ihre ernsten Gesichter zuzuwenden. Ich erinnerte mich an die Gebete, die ich in der dunklen Kapelle geflüstert hatte, als all die heiligen Männer in ihren Betten lagen, an meine Versprechen. Damals waren es noch keine Drohungen. Und als ich in unser Schlafzimmer zurückgeschlichen war, kroch ich neben William ins Bett und hielt seinen Kopf. Der Friar hatte ihm einen bitteren Trank gegeben und das Bein aufgeschnitten, um das schlechte Blut herauszulassen. Meine Mutter hatte ihm eine Salbe aus Honig und Zwiebeln auf die Brust gestrichen. Die schien ein wenig zu helfen und ihm das Atmen zu erleichtern. So lagen wir da, umgeben von den Geräuschen der Nacht: Williams trockenes Keuchen, unser Hund Gerechtigkeit, der an der Tür schnarchte, im Flur das Klicken der Nähnadeln in den Händen der Dienstmädchen und draußen die Rufe der Fledermäuse, so hoch, dass man sie fast nicht hören konnte, während sie die Hohe Burg in mondloser Nacht umschwirrten.
    »Ein Groschen für sie«, sagte Makin.
    Überrascht hob ich den Kopf und wäre beinahe gestolpert. »Meine Gedanken sind heute weniger wert.« Ich war ein törichtes Kind gewesen.
    Manchmal würde ich die alten Erinnerungen am liebsten aus meinem Gedächtnis schneiden und sie vom Wind forttragen lassen. Wenn ein scharfes Messer die Schwäche jener Tage abschälen könnte, würde ich schneiden, bis nur die harten Lektionen übrigbleiben.
     
    Wir stießen auf keine Schwierigkeiten, bis wir den Wald verließen. Das Land in der Nähe der Hohen Burg ist frei von Bäumen und dient dem Ackerbau, damit der König genug zu essen hat und herankommende Feinde schon von weitem sieht.
    Ich lehnte mich an den Stamm einer riesigen Blutbuche, einem der letzten großen Bäume, bevor der Wald an einem zwei Morgen großen Bereich gepflügten Bodens endete, aus dem frisches Grün spross – für mich hätten es ebenso gut Karotten wie Kohl sein können. Weitere Felder erstreckten sich links und rechts, und auch hinter diesem ersten. Eine einsame Vogelscheuche beobachtete uns.
    »Ich gehe allein«, sagte ich und begann damit, die Riemen meines Brustharnischs zu lösen.
    »Wohin?«, fragte Makin. »Du schaffst es nicht in die Burg, Jorg. Das schafft niemand. Und wozu auch? Was erhoffst du dir davon?«
    »Ein Mann hat das Recht, dann und wann seine Familie zu besuchen, Bruder Makin«, sagte ich.
    Ich legte die Armschienen ab, dann den Brustharnisch und schließlich auch den Ringkragen. Ich mag es, Eisen am Hals zu haben, denn es hat mich ein- oder zweimal vor einer scharfen
Klinge geschützt. Aber Panzerung würde mir dort, wohin ich wollte, keinen Schutz gewähren.
    Ich nahm auch die Scheide ab. »Bitte bewahre dies gut für mich auf, Kent.« Seine Augen wurden groß, als wüsste er nicht, dass ein Anführer auf diese Weise seine Männer an sich bindet, mit Vertrauen.
    »Ein solches Schwert … Sir Makin …«
    »Ich gebe es dir«, unterbrach ich ihn.
    »Du brauchst ein Schwert, Jorg«, sagte Maical mit Verwirrung in den Augen. Neben ihm beobachtete mich Sim kommentarlos und wickelte seine Harfe aus. Zumindest er wusste genug, um sich für das Warten bereit zu machen.
    Wie durch Magie ließ ich das alte Messer in meiner Hand erscheinen, ein Trick, den ich Grumlow abgeschaut hatte. »Dies genügt mir für das, was ich vorhabe, Bruder Maical.«
    »Gebt mir zwei Tage«, fügte ich hinzu. »Schickt Rike, wenn ich bis dahin nicht zurück bin, damit er die Burg stürmt.«
    Ich verbeugte mich und überließ es den Brüdern, den Karotten beim Wachsen zuzuschauen. Oder dem Kohl.
     
    Am Waldrand entlang ging ich zur Straße von Rom. Es heißt, dass diese Straße bis zur Haustür des Papstes führt, aber ich hatte vor, sie in der anderen Richtung zu beschreiten.
    Es gibt einen Friedhof unweit der Straße von Rom, halb vom Wald überwuchert und so gut wie vergessen. Als Kind habe ich ihn erforscht und bin durch halb eingestürzte Mausoleen geklettert, von Efeu überwachsen, von Moos erstickt und von Baumwurzeln aufgerissen. Der Friedhof ist ziemlich groß, ein verborgener Morgen nach dem anderen, eine verlorene Nekropole. Verstaubte Bücher nennen ihn »Perechaise«. Die Beschriftungen sagen mir nichts: Innig geliebt, 1845. Lieber

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