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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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scharfer Kante gesprochen, sondern mich auch mit dem Bergsteigen beschäftigt.
    Wie sich herausstellte, war das Bergsteigen für die Bewohner des Hochlands ebenso neu wie für mich. Sie wussten über die Orte Bescheid, die sie erreichen mussten: hohe Weiden für die Wollziegen, die Sommerpässe für den Handel, die Eiger-Wand für die Suche nach Opalen. Aber was die Orte betraf, die sie nicht erreichen mussten … Wer hat Zeit für etwas, wenn einem der Magen knurrt oder es Geld zu verdienen gilt?
    »Was zum Teufel macht Ihr, Jorg?«, fragte mich Coddin einmal, als ich blutig nach Hause kam und mein Handgelenk bei jeder Bewegung knirschte.
    »Ihr solltet mit mir kommen«, erwiderte ich, nur um zu sehen, wie er eine Grimasse schnitt. Ich klettere allein. Die Wahrheit lautet: Auf einem Berggipfel gibt es nie Platz für zwei.
    »Lasst es mich anders ausdrücken«, sagte Coddin. Ich bemerkte, dass sein Haar grau zu werden begann. Es zeigte sich an den Schläfen. »Warum macht Ihr so etwas?«
    Ich schürzte die Lippen und lächelte dann. »Die Berge haben mir gesagt, ich könnte es nicht.«
    »Seid Ihr mit König Knut vertraut?«, fragte Coddin. »Es ist kein Weg, zu dem ich Euch raten würde – da Ihr mich in diesen Tagen dafür bezahlt, Euer Berater zu sein.«
    »Ha.« Ich fragte mich, ob Katherine klettern konnte. Ich hielt sie dafür imstande, wenn man ihr eine Chance gäbe. »Ich habe das Meer gesehen, Coddin. Das Meer kann ganze Berge verschlingen. Gelegentlich mag ich Meinungsverschiedenheiten mit dem einen oder anderen Berg haben, aber wenn Ihr mich dabei erwischt, das Meer herauszufordern, so habt Ihr die Erlaubnis, einen Ochsen auf mich fallen zu lassen.«
    Ich sagte Coddin, dass es Sturheit war, die mich klettern ließ, und vielleicht stimmte das, aber es gab noch mehr. Berge haben keine Erinnerung und urteilen nicht. Es liegt Reinheit in dem Bemühen, ihren Gipfel zu erreichen. Man lässt die Welt hinter sich zurück und nimmt nur, was man braucht. Für jemanden wie mich kommt das der Erlösung sehr nahe.
     
    Angriff, hatte Miana gesagt, und gerade am Hochzeitstag sollte ein Mann seiner Frau nicht widersprechen. Es half natürlich, dass ich die ganze Zeit einen Angriff geplant hatte. Ich übernahm selbst die Führung, denn nur wenige kennen die Ausfalltore und Tunnel, die zum Feind führten. Besser gesagt: Viele wussten von ihnen, aber wie ehrliche Priester wäre kaum jemand in der Lage gewesen, einen von ihnen zu finden.
    Zu viert nebeneinander gingen wir, die größten Männer gebückt, um mit dem Kopf nicht an die Decke aus grob behauenem Stein zu stoßen. Jeder zehnte Mann trug eine Pechfackel – die Soldaten ganz hinten erstickten fast in ihrem Rauch. Das Licht meiner eigenen Fackel reichte gerade zehn Meter weit durch den Tunnel, der sich immer wieder hin und her wand, um natürliche Hohlräume und Risse im Fels auszunutzen. Das rhythmische Stapfen vieler Füße hatte zuerst fast etwas Hypnotisches, aber es wurde schnell zu einem Hintergrundgeräusch, das man kaum mehr wahrnahm, bis es plötzlich aufhörte. Ich drehte mich um, und die Flammen meiner Fackel zeigten mir nichts anderes als huschende Schatten. Von den Männern meiner Truppe war nichts mehr zu sehen.
    »Was machst du hier, Jorg?« Die Worte des Traumhexers umströmten mich, ein Fluss aus sanfter Kadenz, mit nur vagen Andeutungen eines sarazenischen Erbes. »Ich beobachte dich
von einem Moment zum nächsten. Deine Pläne sind mir bekannt, noch bevor sie sich ganz in dir entfalten.«
    »Dann weißt du auch, was ich hier mache, Sageous.« Ich hielt nach ihm Ausschau.
    »Ist dir klar, dass wir über dich lachen, Jorg?«, fragte Sageous. »Der Bauer auf dem Schachbrett, der glaubt, sein eigenes Spiel zu spielen. Es amüsiert selbst Ferrakind hinter dem Feuer, und Kelem, noch immer in seinen Salzminen erhalten. Lady Blau hat dich auf einem Saphirbrett, Skilfar sieht die Muster deiner Zukunft im Eis, bei der Mathema bist du Teil der Gleichungen, als kleiner, unbedeutender Term. In den Schatten hinter den Thronen zählst du nicht viel, Jorg. Man lacht darüber, wie du mir dienst, ohne es zu wissen. Die Stille Schwester lächelt nur, wenn dein Name genannt wird.«
    »Es freut mich, dass ich wenigstens zu etwas nütze.« Links von mir bewegten sich die Schatten an der Wand langsam und widerstrebend, reagierten nicht sofort, wenn ich die Fackel schwang. Ich trat vor und stieß die Fackel in die dunkelste Stelle, ließ ihre Glut dort über den

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