König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
und hinterließ eine kleine Narbe im Erbauer-Stein.
Mein Vater hatte natürlich recht. In jener Nacht habe ich eine wichtige Lektion gelernt. Der Hund war eine Schwäche, und der Hundertkrieg kann nicht von einem Mann mit solchen Schwächen gewonnen werden. Auch nicht von jemandem, der dem kleineren Übel nachgibt. Man gebe einen Zentimeter nach, man gebe irgendjemandem auch nur einen Zentimeter nach, und als Nächstes hört man: »Noch eins, Jorg, noch eins.« Und zum Schluss brennt, was man liebt. Die Lektion meines Vaters war wichtig gewesen, aber das Wissen darum versetzte mich nicht in die Lage, ihm die Methode zu verzeihen, mit der er sie mir gelehrt hatte.
Eine Zeit lang auf der Straße befolgte ich die Lehren meines Vaters: Sei in allem stark und zeige kein Pardon. Auf der Straße hatte ich mit der absoluten, unerschütterlichen Überzeugung eines Kindes gewusst, dass der Thron des Reiches mir gehören würde, wenn ich mich an die harten Lektionen von Hund und Dornen hielt. Heute aber, selbst mit all dem Bösen in mir … Ich weiß nicht, ob ich meinen eigenen Sohn eine solche Lektion lehren könnte.
William brauchte solchen Unterricht nie. Von Anfang an hatte er Eisen in sich und war immer der Klügere, Überzeugtere und Grimmigere von uns beiden, trotz meiner beiden zusätzlichen Jahre. Er sagte, ich hätte den Hammer werfen sollen, kaum dass meine Finger ihn berührten, mit all meiner Kraft und gut gezielt. Dann wäre ich König geworden, und wir hätten unseren Hund behalten.
Zwei Tage später schlich ich mich von Amme und Wache fort und machte mich auf den Weg zu den Müllhaufen hinter den Ställen der Tafelritter. Ein Nordwind trug den Rest des Winters, mit einem Regen, der fast Eis war. Ich fand die Reste meines Hunds, eine stinkende, halb verkohlte Masse, schlaff,
aber schwer. Ich musste ihn ziehen, aber ich hatte William versprochen, dass ich ihn begraben würde; er sollte nicht im Müll verrotten. Zwei Meilen weit zog ich ihn durch den eisigen Regen über die Straße von Rom, die leer war bis auf einen Händler, der die Planen seines Wagens zugeschnürt hatte und schlief. Ich brachte Gerechtigkeit zu dem Mädchen mit dem Hund, begrub ihn dort neben ihr im Schlamm, mit tauben Händen und dem Wunsch, auch der Rest von mir möge taub werden.
»Hallo, Jorg«, sagte Katherine. Und sonst nichts.
Nichts? Wenn ich mich an all das erinnerte, an den dunklen Weg zum Friedhof Perechaise, und wenn ich all die Jahre damit leben konnte … Was zum Teufel befand sich dann in dem Kästchen, und wie konnte ich mir dann wünschen, es zurückzubekommen?
Viele Männer sehen nicht aus, wie sie sind. Weisheit kann
hinter einem dummen Lächeln warten, Tapferkeit kann
aus Augen sehen, die vor Angst weinen. Bruder Rike ist ein
einzigartiges Geschöpf, denn sein Gesicht erzählt die ganze
Geschichte. Grobe Züge unter buschigen Brauen, die hässliche
Fältelung von altem Narbengewebe, kleine schwarze Augen, die
die Welt mit unpersönlicher Bosheit betrachten, dunkles Haar,
kurz und schmutzig, darunter ein dicker Schädel. Und selbst
wenn Gott ihm eine kleinere Gestalt gegeben hätte und nicht die
eines Riesen mit unvernünftig vielen Muskeln, und Schwäche
anstatt der Ausdauer mehrerer Ochsen, selbst dann wäre Rike
der gemeinste Zwerg des Christentums gewesen.
11
Hochzeitstag
Berge sind gute Gleichmacher. Sie scheren sich nicht darum, wer man ist, und wie viele.
Manche glauben, dass die Erbauer die Matteracks geschaffen haben, indem sie das rote Blut der Erde tranken und damit ihre Kraft stahlen, und dass die Gipfel entstanden, als sich die Felsen gegen die Erbauer auflehnten und sie abschüttelten. Gomst erzählt, dass der Herrgott die Berge hierher setzte, kleine Wellen im feuchten Ton, als er mit beiden Händen die Welt formte. Wer auch immer das Werk vollbrachte, er hat meinen Dank, denn es sind die Matteracks, die das Hochland von Renar hoch machen. Sie reichen von Osten nach Westen und zerknittern auch die Karten anderer Königreiche, aber im Hochland leisten sie die beste Arbeit. Hier bestimmen die Matteracks, wohin man gehen kann und wohin nicht.
Ein- oder zweimal wurde gesagt, ich hätte eine sture Ader. Jedenfalls habe ich nie etwas davon gehalten, dass man einem König in seinem eigenen Königreich sagt, wohin er gehen darf. Deshalb habe ich in den Jahren seit meiner Ankunft als unreifer Jugendlicher nicht nur das Lied des Schwertes gelernt,
die Kunst des Rasierens gemeistert und Recht mit
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