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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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Mann.«
    Wir schienen die halbe Nacht zu warten, und als sich plötzlich die Tür öffnete, zuckte ich zusammen, trotz all meiner Vorsätze.
    Mein Vater, in seinem violetten Gewand und mit der eisernen Krone, ohne einen Hauch von Schlaf an ihm, schritt zum Thron. Er nahm Platz und legte die Hände auf die Armlehnen.
    »Ich will Gerechtigkeit«, sagte er laut genug für den ganzen Hof, obwohl nur Reilly und ich vor ihm standen.
    Und noch einmal, den Blick auf die große Tür gerichtet: »Ich will Gerechtigkeit.«
    »Es tut mir leid.« Diesmal meinte ich es wirklich so. »Ich kann dafür bezahlen …«
    »Gerechtigkeit!« Er sah mich nicht einmal an.
    Die Tür öffnete sich erneut, und ein Karren rollte herein, von der Art, die man benutzte, um Gefangene aus dem Verlies heraufzubringen. Auf diesem Karren lag mein Hund, meiner und Williams, an jedem Bein festgebunden. Ein Bediensteter namens Inch schob ihn, ein ruhiger Mann mit dicken Armen, der einmal an einem Festtag ein Stück Zuckergebäck für mich stibitzt hatte.
    Ich wollte zu meinem Hund laufen, aber Reillys schwere Hand hielt mich fest.
    Gerechtigkeit zitterte auf dem Karren und hatte große Augen. Er zitterte so sehr, dass er kaum stehen konnte, obwohl er vier Beine hatte und ich nur zwei. Er sah nass aus, und als Inch den Karren näher schob, roch ich Steinöl, das man für die Lampen der Dienerschaft verwendete. Inch langte in den Karren und holte einen großen, hässlichen Hammer hervor. Solche Hämmer benutzt man, um große Kohlebrocken in kleinere fürs Feuer zu zerschlagen.
    »Geh«, sagte mein Vater.
    Inchs Blick machte deutlich, dass er lieber geblieben wäre, aber er legte den Hammer auf den Boden und ging ohne ein Wort.
    »Ich werde dich heute eine wichtige Lektion lehren«, sagte mein Vater.
    »Hast du dich jemals verbrannt, Jorg?«, fragte er.
    Das hatte ich. Mit einem Schürhaken, dessen eines Ende im Feuer gelegen hatte. Der Schmerz hatte mir den Atem genommen. Ich konnte gar nicht schreien. Bis sich die ersten Blasen bildeten, brachte ich keinen Ton hervor und hörte das Zischen. Und als ich die Stimme wiederfand, heulte ich so laut, dass meine Mutter aus ihrem Turm gelaufen kam und zusammen mit den Dienstmädchen und der Amme aus dem Nebenzimmer eintraf. Eine ganze Woche lang hatte meine Hand gebrannt und genässt, mir bei jeder noch so kleinen Bewegung der Finger höllischen Schmerz durch den Arm geschickt. Die Haut löste sich, und das rohe Fleisch darunter tat weh, wenn man es auch nur behauchte.
    »Du hast mir etwas genommen, Jorg«, sagte mein Vater. »Du hast etwas gestohlen, das mir gehörte.«
    Ich war klug genug, nicht zu sagen, dass die Schneekugel ein Geschenk für meine Mutter gewesen war.
    »Ich habe bemerkt, dass du diesen Hund liebst«, sagte mein Vater.
    Das erstaunte mich, trotz meiner Furcht. Ich hielt es für wahrscheinlicher, dass es ihm jemand gesagt hatte.
    »Das ist eine Schwäche, Jorg«, fuhr mein Vater vor. »Etwas zu lieben bedeutet Schwäche. Und einen Hund zu lieben ist dumm.«
    Ich schwieg.
    »Soll ich den Hund verbrennen?« Mein Vater griff nach der nächsten Fackel.
    »Nein!« Das Wort platzte als entsetzter Schrei aus mir heraus.
    Mein Vater lehnte sich zurück. »Siehst du, wie schwach dich dieser Hund gemacht hat?« Er wandte sich an Sir Reilly. »Wie soll er über Ankrath herrschen, wenn er nicht einmal sich selbst beherrscht?«
    »Verbrenn ihn nicht.« Meine Stimme zitterte. Ich bat und bettelte, aber gleichzeitig war es auch eine Drohung, auch wenn es niemand von uns erkannte.
    »Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit. Einen Mittelweg.« Mein Vater sah auf den Hammer.
    Ich verstand nicht. Ich wollte nicht verstehen.
    »Brich dem Hund ein Bein«, sagte er. »Ein schneller Schlag, und der Gerechtigkeit ist Genüge getan.«
    »Nein.« Ich schluckte und erstickte fast. »Ich kann nicht.«
    Vater zuckte die Schultern, beugte sich vor und streckte erneut die Hand nach der Fackel aus.
    Ich erinnerte mich an den Schmerz, den mir der Schürhaken beschert hatte. Schrecken packte mich, und ich spielte mit dem
Gedanken, ihm nachzugeben, mich von ihm dazu zu bringen zu lassen, hysterisch zu werden, zu weinen und zu schreien. Ich wusste: Ich konnte bleiben, bis alles vorbei war, oder ich konnte weglaufen und mich in Tränen verlieren, während Gerechtigkeit verbrannte.
    Ich nahm den Hammer, bevor die Hand meines Vaters die Fackel erreichte. Es fiel mir nicht leicht, ihn zu heben, denn er war in mehr als nur einer

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