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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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schätzen wusste. Er war bei meiner Rückkehr vor vier Jahren der erste Mann von Ankrath gewesen, dem ich begegnet war. Damals hatte ich ihn für groß gehalten, aber jetzt überragte ich ihn. Ich hatte ihn für alt gehalten, obwohl sich jetzt erstes Grau im schwarzen Haar zeigte und ich glaubte, dass er in der Blüte seiner Jahre war. Ich hatte ihn vom Hauptmann zum Kommandeur der Waldwache befördert, weil mir etwas sagte, dass er mich nicht enttäuschen würde. Der gleiche Grund legte ihm ein Jahr später den Umhang des Kanzlers um die Schultern.
    Ich beobachtete, wie der alte Keppen unsere Bogenschützen anwies, ihre Pfeile weit nach oben zu schicken, damit sie über die in Deckung gegangenen Fußsoldaten hinwegflogen und ungezielt die Soldaten des Fürsten weiter unten im Tal trafen.
    Und dann sah ich die ersten feindlichen Schützen, Männer aus Belpan mit ihren Langbögen, und die Männer des Fürsten, die Drachen von Pfeil rot auf ihren ledernen Wappenröcken.
    »Es wird Zeit, zu gehen.« Ich befestigte das violette Band am Ende meines Kurzbogens und hielt ihn hoch, damit die Wache ihn sah.
    Rückblickend wäre es besser gewesen, das Zeichen von jemand anderem geben zu lassen. Von einem unwichtigen Mann. Zum Glück suchten die Schützen des Fürsten noch eine gute Schussposition, und deshalb verfehlten ihre Pfeile das Ziel. Das heißt, sie verfehlten mich, aber ein Mann etwa zehn Meter vor mir wurde getroffen – plötzlich steckte ein Pfeil in seinem Halsansatz.
    »Verdammt«, sagte Coddin.
    Ich wandte mich ihm abrupt zu. Sein Blick galt etwas weiter unten am Hang, aber ich konnte nicht erkennen, was es war.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte ich.
    Coddin hob scharlachrote Finger. Zuerst ergab es keinen Sinn. Ich versuchte zu erkennen, wo er verletzt war.
    »Ganz ruhig.« Makin stützte ihn, als er wankte.
    Dann sah ich den Pfeil, nur die Feder, schwarz vor dem Hintergrund des dunklen Leders auf seinem Bauch. »Zum Teufel.«
    Mit einem Pfeil im Bauch überlebt man nicht. Das ist allgemein bekannt. Selbst mit Seide unter dem Leder, die nachgibt, den Pfeil umgibt und es ermöglicht, ihn sauber aus der Wunde zu ziehen … Einen Bauchschuss überlebt man nicht.
    »Tragt ihn«, sagte ich.
    Die anderen starrten mich nur an. Für einen Moment sah ich die nordische Hexe, fühlte den durchdringenden Blick ihres einen Auges und erkannte den Spott in ihrem vertrockneten Lächeln. »Selbst ein Mann mit einem Pfeil im Bauch hat eines Narren Hoffnung«, hatte sie gesagt. Hatte sie über mich hinweg bis hierher gesehen, bis zu diesem Tag?
    »Verdammte Prophezeiung!« Ich spuckte, und der Wind trug die Spucke fort.
    »Wie bitte?« Makin sah mich an. Selbst Coddin gaffte.
    »Ruft einige Männer hierher und lasst ihn tragen«, sagte ich.
    »Jorg …«, begann Makin.
    »Ich bleibe hier«, sagte Coddin. »Von hier aus hat man einen guten Blick.«
    Ich hatte Coddin von Anfang an gemocht. Vier Jahre mit ihm in der Spukburg hatte dieses Empfinden nur noch stärker in mir verankert. Ich mochte ihn wegen seines scharfen Verstands, wegen seiner neugierigen Ehrlichkeit und wegen seines Muts schweren Entscheidungen gegenüber. Vor allem aber mochte ich ihn, weil er mich mochte. »Von dort oben ist der Blick noch besser.« Ich deutete den Hang hinauf.
    »Dies wird mich umbringen, Jorg.« Er sah mir in die Augen. Das gefiel mir nicht. Es gab mir einen sonderbaren Schmerz.
    Ein Pfeil im Bauch tötet nicht schnell, aber die Wunde bekommt den Brand. Man schwillt an und schwitzt und schreit, und dann stirbt man. Zwei Tage, vielleicht vier. Ich hatte einmal einen Bruder, der sogar eine ganze Woche und noch etwas länger durchhielt. Aber nie bin ich einem Mann begegnet, der mir eine Narbe am Bauch zeigen und von den Schmerzen erzählen konnte, die er beim Herausziehen des Pfeils erlitten hatte.
    »Ihr seid mir verpflichtet, Coddin«, sagte ich. »Der Dienst für Euren König ist nur ein Teil davon. Der Pfeil wird Euch vermutlich umbringen, aber nicht heute. Und wenn Ihr glaubt, ich hätte eine sentimentale Seite, die Euch hier und jetzt einen schnellen Tod gewährt und dafür auf mehrere Tage nützlichen Rat verzichtet, den ich dringend brauche, so irrt Ihr Euch.«
    Ich bin nie einem Mann begegnet, der eine solche Wunde überlebt hat. Aber ich hatte von einem gehört . Es war einmal geschehen.
    »Wir tragen ihn zur Steinlawine und schicken Männer voraus, die dort im lockeren Geröll ein Versteck anlegen sollen«, sagte ich. »Wir legen ihn

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