König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
gefunden…
Es war schon sehr spät, als Raphael und Eleanor wieder vor Stratton Hall eintrafen. Sie schoben sich durch das eiserne Eingangstor und liefen den breiten Hauptweg zum Hauptgebäude entlang.
„Hoffentlich hat man uns noch nicht vermisst“, bangte Eleanor.
„Wir werden sagen, dass wir im Park spazieren waren“, schlug Raphael unbeeindruckt vor. „Wir haben uns über Gott und die Welt unterhalten und dabei die Zeit vergessen, bis du angefangen hast zu frieren.“
Eleanor musste kichern. Einen Engel von ‚Gott und der Welt‘ reden zu hören, hatte etwas unfreiwillig Komisches. Sie betraten den Kutschenvorbau, Raphael ergriff die riesige Klinke, drückte den Türflügel auf und hielt die Tür für Eleanor auf, bis sie hindurch gehuscht war. Beinahe sofort liefen sie Schwester Emily in die Arme, die sie fragte, woher in Gottes Namen sie jetzt kämen. Sie spulten ihre Geschichte herunter und Schwester Emily nickte befriedigt. Solche Geschehnisse waren gut für die Seelen der Patienten und wurden toleriert.
Die beiden hatten das Abendessen verpasst, doch Eleanor war ohnehin nicht hungrig und bei Raphael erübrigte sich die Frage. Während die beiden Hand in Hand die Flure entlang gingen, um zu ihren Zimmern zu gelangen, fragte Eleanor: „Warum hast du Michael abgelenkt und ihm nichts von Elizabeth erzählt?“
„Ich bin mir nicht sicher“, brummte Raphael. „Ich wusste nicht, wie er darauf reagieren würde. Es schien mir sicherer, zu diesem Zeitpunkt keine Diskussion aufkommen zu lassen.“
Sie waren vor Raphaels Zimmer angekommen. Er öffnete die Tür und sie betraten den Raum. Dort auf dem Bett saß Elizabeth.
Ihr Körper erstrahlte in jenem warmen Goldton, der so typisch für das göttliche Feuer war. Als die beiden die Tür hinter sich schlossen, blickte sie mit einem kurzen Lächeln auf und senkte dann sofort beschämt den Blick.
„Elizabeth“, strahlte Eleanor. Dann lief sie auf ihre Freundin zu und fiel ihr in die Arme. Die beiden drückten einander beinahe ungläubig, Elizabeth brach vor Freude in Tränen aus.
„Es ist so wundervoll wieder hier zu sein“, weinte sie. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich das noch einmal erleben dürfte.“
„Ich weiß… ich weiß…“, lachte Eleanor unter Tränen. Raphael blickte befangen zur Seite. Wenn menschliche Regungen so extrem wurden wie hier, hatte er noch immer Probleme mit ihnen. Er wusste nicht, wie er auf sie reagieren sollte und fühlte sich ihnen gegenüber zutiefst unwohl.
„Was machen wir nun?“, fragte er schließlich peinlich berührt. „Wir können Elizabeth nicht hier in meinem Zimmer lassen.“
Elizabeth blickte auf, als nähme sie ihn erst jetzt wirklich war. Sie stand hastig auf, kam auf ihn zu und fiel vor ihm auf die Knie.
„Ich danke euch, Engel, dass ihr mir meinen neuen Körper nicht wieder genommen habt und mich hierher sandtet. Ohne euch wäre ich jetzt wieder im Reich der Toten.“
Raphael runzelte die Stirn und blickte befremdet auf das Mädchen hinab.
„Erhebe dich“, grollte er streng. „Hättest du nicht geschworen, deine Energie nicht an andere Tote weiterzugeben, hätte ich dem nie zugestimmt. Und würde Eleanor dir nicht glauben und vertrauen, würde ich dir deinen Körper noch jetzt nehmen.“
Elizabeth zuckte unter den Worten Raphaels zusammen und erhob sich ungeschickt. Ihr war vollkommen klar, dass Raphael recht hatte. Sie war die Letzte gewesen, die auf dem Dach der Kirche übrig geblieben war, nachdem Michael und Raphael alle anderen Seelen wieder in die Totenwelt zurückbefördert hatten. Panisch vor Angst war sie über das Dach zum Turm gerannt, um durch das Treppenhaus vor Raphael zu fliehen. Michael war ohnmächtig zu Boden gefallen und Turiel noch immer auf der anderen Seite des Kirchhofes mit Asasel beschäftigt. Sie hätte eigentlich keine Chance gegen Raphael gehabt. Noch bevor sie die Tür erreichen könnte, würde er sie haben und mit einem einzigen Schlag endgültig zurück zu den Toten senden. Doch plötzlich hatte sich vor ihren Augen die kleine Tür im Turm geöffnet und ausgerechnet Eleanor stand dort im Türbogen – den Blick vor Entsetzen geweitet. Sie war es gewesen, die sich vor Raphael gestellt hatte. Sie hatte nichts gesagt, ihn nur angesehen, solange bis er genickt hatte.
Und nun war sie hier. Sie hatte wieder einen Körper, endlich. Sie konnte Dinge berühren, Gerüche wahrnehmen, Wärme und Kälte spüren. Nichts hatte sie jemals so glücklich gemacht wie
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