König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
warm und wohltuend – wie ein Schauer aus Millionen kleinster Tropfen aus Licht und Energie. Die Welt war wie verändert und Eleanor war weit davon entfernt, Angst zu empfinden.
Raphael stieß das Tor auf und gemeinsam betraten sie den Park des Sanatoriums. Seite an Seite gingen sie die breite Auffahrt entlang, die durch den Regen aufgeweicht und von Wasserrinnsalen und Pfützen durchsetzt war. Sie betraten das Hauptgebäude und liefen durch die Flure und Korridore zum Speisesaal. Zu dieser Zeit lag der große Saal einsam und verlassen da, es würde erst in einigen Stunden für das Abendessen gedeckt werden und bis dahin würde niemand sie hier stören.
„Was hat Lilith in der Vergangenheit getan, dass du sie für unberechenbar hältst?“, fragte Eleanor, nachdem sie sich an einen der Tische gesetzt hatten.
„Wir Engel sind auf unsere Art beständig, denn wir sind von Gott abhängig und niemand ist beständiger als Gott. Ein Engel kann sich nicht von Gott lösen, denn unseren Seelen ist die Gabe des freien Willens nicht gegeben, wenn es um die Wahl zwischen Gut und Böse geht. Ihr Menschen hingegen könnt euch von Gott lossagen und Entscheidungen treffen, die nicht von Ethik oder Moral beeinflusst werden. Ich kann dir eine Geschichte über Lilith erzählen, die dir zeigt, von welcher Art ihr Wesen ist und ich sage dir, auf ihre Art ist sie teuflischer, als jeder gefallene Engel. Vor etwa neunhundert Jahren fiel ihr Augenmerk auf einen jungen Ritter aus Lothringen. Sie sah ihn eines Tages zufällig durch ein Tal in den Ardennen reiten, das sie gerade überflog. Sie wartete für ihn unsichtbar, bis er sich am Ufer eines kleinen Baches zur Rast setzte. Als sie sicher sein konnte, dass er eingeschlafen war, schlich sie sich in seine Träume und zeigte sich ihm dort. Der Ritter glaubte, noch nie ein so schönes Wesen gesehen zu haben, wie die Frau in diesem Traum und vermutlich hatte er damit sogar recht. Als er schließlich wieder erwachte, konnte er sich an jedes Detail des Traumes erinnern und fortan war er wie verändert. Ursprünglich hatte er vorgehabt, sich den Truppen anzuschließen, die ins Heilige Land aufbrachen um Jerusalem einzunehmen. Doch nun konnte er nur noch an das Gesicht aus seinem Traum denken und er beschloss, sich auf die Suche nach ihr zu machen. Kannst du dir das vorstellen? Ein Mann gibt sein ganzes Leben auf für einen wirren Traum und die bange Hoffnung, zumindest einen Teil dieses Traumes in der Realität zu finden. Der Ritter zog jahrelang durch alle Länder der Christenheit, doch er konnte die Frau aus seinem Traum nicht finden. Schließlich zog er weiter gen Osten, in Richtung des Heiligen Landes, denn wer konnte sagen, ob er sie nicht dort finden würde? Und eines Tages wurde er tatsächlich fündig. In den Bergen Armeniens kam er in ein kleines Dorf, wo ihm die Einwohner Merkwürdiges zu berichten wussten. Sie erzählten ihm von einer Burg, die in der Nähe auf einem hohen und uneinnehmbaren Felsen stünde. Die Menschen des Dorfes nannten sie die Schlangenfestung, denn sie glaubten, dass in ihr ein Dämon wohne, der bösartig und hinterhältig sei und in der Gestalt einer Frau lebte. Ebenso wie eine richtige Schlange war diese Frau gefährlich, zugleich aber auch nützlich, denn allein ihretwegen wagten sich keine Heere und keine Kriegsfürsten durch dieses Gebiet – hier herrschte seit Jahrhunderten Frieden. Die wenigen, die sie tatsächlich einmal gesehen hatten, beschrieben sie als wunderschön und vollkommen und der Ritter war sich bei diesen Worten mit einem mal sicher, am Ende seiner Suche angekommen zu sein. Die Dorfbewohner warnten ihn eindringlich, denn es war über die Maßen gefährlich, sich der Festung zu nähern, doch der Ritter schlug alle Warnungen in den Wind und machte sich auf den Weg. Er durchritt das kleine Tal und fand tatsächlich den schmalen, steinigen Pfad, der zur Schlangenfestung führen sollte. Er machte sich an den Aufstieg und bald sah er die Festung vor sich liegen. Sie schien ganz friedlich und unbewohnt in der grellen Mittagssonne dazuliegen und der Ritter begann an den Worten der Dorfbewohner zu zweifeln. Wie konnte sich an einem solch hellen und einsamen Ort etwas Gefährliches verbergen? So betrat er die verwunschenen Mauern und lief durch ihre Räume, bestieg ihre Türme und rief nach der Frau, deren Namen er nicht einmal kannte. Plötzlich stand sie vor ihm, sie lächelte ihn an und er konnte nur noch vor ihr auf die Knie fallen und sie stumm
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