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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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Vision selbsternannter Propheten – sie war vollkommene Sicherheit. Unabwendbar und wie in Stein gemeißelt.
    Jeshua erzählte diesen Menschen von Gott und sie hörten ihm schon allein deshalb zu, weil sie alle sich sicher waren, dass Gott selbst in naher Zukunft aus dem Himmel herabsteigen und die Menschen am Tag des Jüngsten Gerichtes für ihre Taten zur Rechenschaft ziehen würde. Da konnte es nicht schaden, ihm zuzuhören und sich durch seine Worte auf das Kommende vorzubereiten. Und Jeshua erreichte die Menschen nicht allein, weil sie selbst auf der Suche nach Wahrheit waren. Er tat zudem zwei Dinge, durch die er sich die Aufmerksamkeit der Menschen aller Schichten sicherte. Zum einen sprach er nicht als Dogmatiker zu ihnen, sondern stets als einer der ihren. Nie stand er mit der Thora in der Hand vor ihnen und zitierte von oben herab. Stattdessen setzte er sich zu Beginn seiner Reden für gewöhnlich nieder und forderte auch seine Zuhörer auf, sich ebenfalls zu setzen. Erst wenn er sich vergewissert hatte, dass es alle bequem hatten und ihm jedermann lauschte, begann er zu sprechen. Nur selten bezog er sich dabei auf religiöse Texte, zumeist sprach er in Gleichnissen, erzählte Geschichten, in denen die Menschen sich wiedererkannten und die jeder sofort verstand. Seine Worte waren einfach, ruhig und erschienen jedermann zutiefst logisch.
    Darüber hinaus erregte er, wo auch immer sie hinkamen, die Aufmerksamkeit der Menschen zunächst dadurch, dass er ein Leid von ihnen nahm. Ebenso, wie er den Aussätzigen in Bethanien geheilt hatte, so heilte er auch andernorts und gab den Menschen dadurch etwas von der Hoffnung zurück, die sie durch die harten Zeiten unter der römischen Unterdrückung verloren hatten.
    So kam es, dass Jeshua und seine kleine Gruppe einige Zeit nach ihrem Besuch in Bethanien in ein kleines Dorf mit Namen Gerasa kamen, das am Ufer des Sees Genezareth lag. Jeshua war an diesem Morgen schweigsam und in sich gekehrt gewesen. Irgendetwas schien ihn zu bewegen, doch waren seine Freunde nicht in der Lage gewesen, mehr als ein paar kurze Sätze aus ihm herauszubekommen. Da endlich hatte Juda die Sache in die Hand genommen. Wie zufällig lief er plötzlich neben Jeshua her und während sie gemeinsam den steinigen, staubigen Weg entlangliefen, begann er Witze zu reißen. Judas‘ Talent, sich auf andere Menschen einzulassen, war beachtlich und bald begann Jeshua zu schmunzeln. Nach seiner Paradenummer – dem Witz, in dem einem römischen Legionär von einem Juden der Unterschied zwischen Zeus und Hera erklärt wird – lachte Jeshua endlich laut auf.
    Seine Freunde sahen sich erleichtert an. Immerhin – Jeshua bei seinem Humor zu packen, konnte nur jemandem wie Juda einfallen.
    „Juda. Wie kann es sein, dass der Römer nicht erkannt hat, dass Hera…“, begann Jeshua gerade lachend, als ein Schrei die Stille auf dem kleinen Bergpfad durchbrach. Die Männer sahen sich eine Sekunde lang erschrocken an. Dann begannen sie zu rennen. Polternd und schlitternd eilten sie den steilen Pfad hinunter auf die Ortschaft zu, die rund hundert Meter vor ihnen am Fuße des Hügels begann. Hinter den wenigen Häusern des Dorfes glitzerte die weite Fläche des Sees Genezareth in tiefem Blau, doch in diesem Augenblick hatten die Männer kein Auge für die Schönheit dieses Anblicks.
    Ein weiterer Schrei peitschte durch die Luft, schrill und unmenschlich. Eher der Laut eines Tieres denn der eines Menschen. Stolpernd kamen die Männer vor dem ersten Haus des Dorfes zu stehen. Dort warteten bereits einige der Dorfbewohner auf sie, denn man hatte sie schon von weitem beobachtet, wie sie – einer durchgehenden Rinderherde gleich – den Berg hinab gerannt gekommen waren.
    „Was ist geschehen?“, keuchte Simeon. „Ist jemand in Gefahr?“
    Die Dörfler sahen die Neuankömmlinge misstrauisch an. Wie die Männer um Jeshua schwer atmend, verschwitzt und staubig vor ihnen standen, glichen sie eher einer Bande von Wegelagerern denn Pilgern im Auftrag des Herrn.
    „Es ist der Besessene“, antwortete einer der Bauern. „Er lebt dort unten in einer Höhle am See. Heute sind seine Anfälle wieder einmal besonders schlimm.“
    Wie zur Bestätigung durchschnitt erneut ein unmenschlicher Laut die Luft. Ein schrilles Kreischen, das unvermittelt in ein würgendes Röcheln und Winseln überging. Die Männer wandten die Köpfe in die Richtung, aus welcher der Laut gekommen war. Das Wimmern erstarb schließlich, doch nicht,

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