König der Vampire - Nikolay, S: König der Vampire
umbrachte. Denn das hier war die Vision von Etienne, Vincent hatte es sofort am scharfen Luftholen bemerkt.
Der Flur, in den er trat, war mit Blut verschmiert. Eine zerbissene Frau lag auf dem Boden, dieser war eindeutig nicht mehr zu helfen. Das hier waren Menschen! Warum fiel der Wolf sie an? Was hatten sie ihm denn getan? Das Eisfieber musste sein Gehirn schon sehr vernebelt haben. Ein lautes Knurren ließ Vincent herumfahren. In dem Zimmer am anderen Ende des Flurs war der Wolf, die Zähne in den Hals eines Mannes vergraben. Blut spritzte hervor, besudelte den Wolf und die Einrichtung. Etienne stand wie gebannt vor der Haustür. Dorian und Eli waren Vincent nach drinnen gefolgt.
Panisch wartete Etienne darauf, dass sich die Vision bewahrheitete. Sein Leben war in wenigen Minuten vorbei. Er konnte es nicht glauben, weigerte sich, es zu akzeptieren. Er wollte nicht, dass es aus war. Aber dem Schicksal konnte man nicht aus dem Weg gehen. Das erste Mal in seinem langen Leben verspürte er Angst. Unbeweglich stand er da, sah dem nahenden Tod ins Auge. Seine Hände zitterten.
Als er hinter sich einen panischen Schrei hörte, wirbelte er herum. Das Mädchen, mit den Ballettschuhen in der Hand! Jetzt war es endgültig. Die Vision holte ihn ein.
Durch ihre Schreie wurde der Wolf angelockt. Von Sinnen stürzte sich die wilde Bestie durch das Fenster. Etienne stellte sich schützend vor das Menschenmädchen. Was dann geschah, ging so schnell, dass seine Augen es nicht registrierten. Die Zähne des Wolf schnappten zu, Etienne hörte das Gebiss aufeinander schlagen. Die Wucht, die der Wolf mit seinem Sprung mitführte, schleuderte Etienne zu Boden. Das Mädchen riss er dabei mit sich. Und dann sah er das Blut. Er war über und über bedeckt davon, seine Hände, sein Hemd, sein Gesicht. Er hatte gar keinen Schmerz verspürt. Wenn man so viel Blut verlor, musste es dann nicht wehtun?
Das Mädchen tauchte in seinem Blickfeld auf. Sie schien neben ihm zu knien. Etienne sah auch die Bisswunde an ihrem Arm.
Jetzt ist es aus mit mir , dachte er und versank in der Dunkelheit.
Tja, das Sterben hatte er sich anders vorgestellt. Still, leise und friedlich. Aber die Geräusche, die an sein Ohr drangen, waren nicht friedlich. Kein Vogelgezwitscher, kein liebliches Wasserrauschen, keine zarten Melodien, die ihn im Jenseits empfingen. Stattdessen hörte er, wie sein Name gebrüllt wurde. Sein Körper wackelte, als würde er durchgeschüttelt. Er fühlte sich, als wäre er auf einem holprigen Ritt in die Hölle. Wenigstens tat ihm nichts weh!
Ein schwacher Trost. Er traute sich nicht, die Augen zu öffnen. Er wollte eigentlich gar nicht sehen, wo er nun hinkam. Doch die Neugierde siegte. Langsam schlug er die Lider hoch und sah ... Vincent?
Hä? Was machte der denn hier? War er auch tot?
„Was machst du hier?“, fragte er mit brüchiger Stimme.
Vincent lächelte ihn an.
„Das sollte ich eher dich fragen! Was liegst du da auf der Erde herum?“
Stimmt! Also, hey, er war ja gar nicht tot!
Langsam setzte er sich auf. Aber, du liebe Güte, er war voller Blut. So wie er es vorhergesehen hatte. Warum lebte er dann noch?
„Etienne, ich muss dir leider sagen, dass du dich getäuscht hast. Das ist nicht dein Blut. Sondern dass des Wolfs. Ich habe ihm von hinten das Herz herausgerissen“, erklärte Vincent und grinste selbstgefällig.
„Das Mädchen?“, fragte Etienne.
„Eli kümmert sich um sie. Ihren Eltern ist nicht mehr zu helfen.“
„Wie, Eli kümmert sich … Moment mal! Sie gibt ihr doch kein Blut?“, Etienne starrte seinen König an.
„Oh, Scheiße!“, fluchte der König und stand auf.
„Jetzt sag nicht, du hast sie nicht gewarnt. Herr, bei allem Respekt … wie blöde kann man eigentlich sein! Sie ist ein Mensch , verdammt!“
Etienne rappelte sich auf, der getötete Wolf lag hinter ihm. Eli und das Mädchen waren nicht zu sehen. Ah, logisch! Sie saßen im BMW, zu dem Vincent gerade hinrannte.
„Eli, warte! Du darfst ihr nichts geben!“, rief er.
Doch als Vincent in den Wagen sah, war es zu spät. Das Mädchen hing bewusstlos in Elis Armen.
Nathan stellte seinen Wagen in die Garage. Vor dem Haus war der Kies aufgewirbelt, als wäre jemand mit Vollgas weggefahren. Anna schlug die Beifahrertür zu.
„Sieht ganz so aus, als hätte es da jemand eilig gehabt“, bemerkte sie.
„Hmm“, machte Nathan.
Er griff ihre Hand und zog sie mit sich ins Haus. Es war sehr still. Kein Gelächter, kein
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