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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Jochen Till
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ansässigen Gewerbes abwimmelnd, während er sich in einem Hinterzimmer mit Lola verlustierte. Kapiert habe ich das nie. Seine Frau sah klasse aus, Lola sah scheiße aus. Verbraucht. Warum machen Männer so was? Idioten. Na ja, jedenfalls zahlte er immer alles, was ich trank, und hinterher gingen wir noch eine Runde Pool spielen. Manchmal schaute ich ihm auch nur beim Spielen zu, denn er spielte vorzugsweise um Geld, und das war bei mir nicht drin. Einmal bin ich in eine Griechen-Pokerrunde mit ihm eingestiegen. Eine halbe Stunde, und ich war pleite. Danach ging's erst richtig los. Die Hunderter flogen nur so über den Tisch und Jorgos verlor an diesem Abend 5 000 DM. Er pokerte miserabel, was mich ärgerte, weil ich nie das Geld hatte, um mit einzusteigen.
    Mein Tisch auf der Terrasse wurde frei und ich setzte mich nach draußen. Ich sah Kelly hereinkommen und winkte ihr zu. »Kelly! Hier!«
    Sie küsste mich zur Begrüßung auf die Wange. Manchmal macht sie das. Manchmal auch nicht. Nach welchen Kriterien sie das wohl entscheidet? Uhrzeit? Laune? Egal. Jedenfalls küsste sie mich auf die Wange und ich liebte das. Warum konnte sie mich nicht den ganzen Abend lang begrüßen?
    »Hi, David! Wie geht's dir?«
    »Jetzt sehr gut, danke.«
    »Bin ich zu spät?« Sie blickte besorgt auf ihre Uhr.
    »Nein, nein. Ich war zu früh, wie immer.«
    »Hast du schon bestellt?«
    »Nein, noch nicht. Der Tisch wurde gerade erst frei.«
    Sie setzte sich mir gegenüber.
    »Ach ja ... Um neun kommt noch 'ne Freundin von mir. Hab sie heute zufällig in der Stadt getroffen. Wir haben uns seit der Zehnten nicht mehr gesehen. Es macht dir doch nichts aus, oder?«
    Wie bitte? Natürlich machte es mir etwas aus. Es machte mir sogar sehr viel aus. »Es kommt noch 'ne Freundin« hieß, dass ich meinen letzten Abend nicht mit Kelly allein verbringen könnte, und »Wir haben uns seit der Zehnten nicht mehr gesehen« bedeutete stundenlang vorgetäuschtes Interesse an den Erinnerungen zweier Schulmädchen. Wie konnte sie mir das antun?
    »Nein, natürlich macht mir das nichts aus. Warum sollte es?«
    »Gut. Du wirst sie mögen.«
    Das bezweifelte ich. Wie sollte ich jemanden mögen, der mir durch bloße Ankündigung bereits den Abend versaut hatte? Sie mögen? Den Teufel werde ich tun.
    »Wollen wir bestellen?«, fragte ich ablenkend, um sie wenigstens bis neun ganz für mich allein zu haben.
    „Ja, ich sterbe vor Hunger! Gibst du mir bitte die Karte?«
    ZWANZIG MINUTEN später saßen wir vor jeweils einer riesigen Portion Gyros, wissend, dass unser Appetit wieder einmal größer gewesen war als unsere Mägen. Als mein Teller etwa drei viertel leer war, gab ich auf. Gerne tat ich das nicht, weil ich mir dann immer so unhöflich vorkam. Ich wartete brav, bis Kelly fertig war, und steckte mir eine an, als hinter mir eine weibliche Stimme »Hallo, Kelly!« sagte. Sie war zehn Minuten zu früh. Frechheit. Ich drehte mich nicht um, sah sie nicht an, jede Sekunde umklammernd, die ich mich nicht mit ihr beschäftigen musste. Bestimmt hielt sie mich für arrogant. Ich werde oft für arrogant gehalten. Nur weil ich nicht gleich jedem um den Hals falle, der mir über den Weg läuft. Bullshit, arrogant. Zurückhaltende, höfliche Reserviertheit. Das bin ich. Als die beiden ihre Begrüßungszeremonie mit Küsschen hier und Küsschen da beendet hatten, folgte das Unvermeidliche.
    »Anna, ich möchte dir David vorstellen. David, das ist Anna.«
    Die Frau namens Anna drehte sich um, kam auf mich zu und streckte mir ihre Hand zur Begrüßung hin.
    »Hallo, David. Schön, dich kennen zu lernen.«
    Zum Glück saß ich bereits, denn sonst hätte es mich mit Sicherheit umgehauen. Was dort vor mir stand, war unglaublich, unfassbar, nicht von dieser Welt. Ich konnte nichts anderes tun, als sie anzustarren, mitten ins Gesicht, in ihre großen, klaren, fesselnden, leuchtend tiefgrünen Augen, die mich ohne ein Zwinkern fixierten. In diesem Moment wäre es mir unmöglich gewesen, zu sagen, ob sie groß oder klein, dick oder dünn war oder welche Farbe ihre Haare hatten. Alles, was ich sah, war dieses einmalig wunderschöne Gesicht mit den tiefgrünen Augen, die mich nicht losließen.
    »David?«, hörte ich jemanden von weit, weit weg sagen.
    »David? Hallo? Jemand zu Hause?«
    Kelly rief mich wieder in die Realität zurück, wo ich natürlich auf der Stelle rot anlief. Wahrscheinlich war ich nur fünf Sekunden weg gewesen, aber in dieser Zeit hatte ich Anna, die mir
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