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König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

Titel: König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Winkler
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im Weg ist, sich in Luft aufzulösen, in ganz klare Luft, die da und dort einen zarten Umriss bildet, eine Windfigur, die sich mit mir durchs Zimmer bewegt, wie in großer Versenkung. Und das Kaminfeuer lodert, die schon beinahe erloschene Glut, und oben, die Decke, wird ganz hell, und dem Haar, das mir über die Augen fällt, könnte ich beim Wachsen zusehen, wenn ich wollte. Ich will aber nicht. Ich will mich im Kreis drehen und tanzen. Was für eine Stimmung! Was für ein Fest! Und dies alles, weil das Bild an der Wand, die schlechte Kopie mit dem Satz Ich bin hier gewesen so wunderbar einsam ist. In Floras Augen, die Frau Professor Steins Augen sind? In Floras Augen, die von Frau Professor Steins Augen überwältigt wurden? Bestochen? Im Hörsaal oder überall? Können Augen von andern Augen überwältigt und bestochen werden, ohne das zu wollen? Hör auf nachzudenken, Lina, hör endlich auf, nachzudenken. – Na gut, Reisender, der du noch lange nicht »mein Reisender« sein wirst, aber gestatte mir doch wenigstens, dass ich, um dem Nachdenken ein Ende zu machen, einen Brief an Jakob schreibe, und nichts soll auf mein Blatt schimmern als das kleine Feuer aus dem Bild.
    Lieber, lieber Jakob, wie außerordentlich verschwenderisch meiner Liebe heute zumute ist, so verschwenderisch, dass sie offenbar eine Art Liebe auf sich zieht, die nicht mit einer einzigen kleinen Faser meiner eigenen verwandt ist. In meiner Anwesenheit sind heute Frau Professor Stein die Tränen gekommen. Die Tränen. Und nur, weil plötzlich unkontrolliertes Lachen aus mir hervorbrechen wollte, wirklich nur einen kurzen Augenblick lang. Womöglich fiel mir der König aus dem Theater ein, der Dich und mich auflachen ließ, so unendlich entrückt schien er angesichts eines verknoteten Taschentuchs. Und wie lange er zögerte, wie lange er mit nichts als Zögern befasst war. Oder kam’s nur mir so vor? Gleichviel. So lange ich hier in Ausbildung begriffen bin, möchte ich lieber nicht in Frau Professor Steins Dienste treten, zumal ich doch nur eine sehr vage Idee davon habe, worin diese Dienste bestehen sollen. Und ich wage es nicht recht, nachzufragen, was mit »tiefer blicken« gemeint ist. Wenn ich zum Beispiel mehr in ihrem Babel entdecken sollte, ihrem hohen, losen Turm aus den Gedanken anderer, der fast von ihrem Schreibtisch kippt: Was kann ihr Erkenntnisgewinn daraus sein? Siehst Du, genau das möchte ich mir nimmer ausdenken. Drum lieber zu was anderem, schließlich ist nicht allein Frau Professor Stein das Institut für Gedankenkunde und Verstehen . Auch Justin sitzt dort auf der Stufe vor der Bibliothek und stellt sich tot. Ja, Justin geistert als der Schatten aller Lehrenden durch die Korridore und in die Hörsäle, und weshalb will jetzt neuerdings ein Schatten Professor werden? Das ist doch niemals seine Pflicht! Wenn ich schon Moderator wäre, würde ich mich vor ihm verneigen und fragen, Professor Schatten, was versprechen Sie sich von solch verkehrter Berufung? Was wollen Sie der Welt mit ihren Possen erzählen und erklären und verkünden und zum Besten geben? Ach. Alle diese Fragen lenken mich ja doch nur davon ab, Dir von Professor Icks zu erzählen. Professor Icks, wie soll ich’s Dir sagen, Jakob, Professor Icks geht nicht spurlos an mir vorbei. Ich fürchte, nichts geht ganz spurlos an mir vorbei, aber nichts so wenig wie Professor Icks. Dass er so merkwürdig grob sein kann, erscheint mir nachts als ein Zeichen einer ganz verstörten, aber umso lebendigeren Sanftheit. Es hilft nichts, mir vor Augen zu führen, dass er gar nicht mich meint, wenn er mit mir spricht, und es nützt auch nichts, mir in Erinnerung zu rufen, dass sein Gedächtnis Haken schlägt, dass es einmal so, dann anders sagt, dass es am Korridor meinen Namen noch weiß und im Hörsaal nicht im geringsten. »Sie erinnern mich an eine Figur, von der ich gelesen hatte, lange, lange, bevor ich meinen Fuß über die Schwelle in Ihr Büro setzte und mich an Ihre Regalwand lehnte, um nicht umzufallen und zu vergessen, dass Sie nicht mich meinen, wenn Sie mich bei meinem Namen rufen.« Ach, Jakob. Sei umarmt von Lina.

XIV.
    Ich höre Wassertropfen vom Wasserhahn ins Waschbecken fallen. Mich überrascht es immer aufs neue, dass es hier im Hörsaal Waschbecken gibt und die Hähne undicht sind und einfach ein paar Tropfen entlassen. In der allgemeinen Welt gibt es, wie mir sehr wohl bewusst ist, nichts Gewöhnlicheres als Waschbecken und undichte Wasserhähne, aber

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