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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Mähne der Stute.
    Durch das wehende Rosshaar blinzelnd, sah Rother, wie nah er den Bogenschützen jetzt war. Keine zwanzig Schritt trennten ihn mehr von ihnen. Die Männer lachten nicht
mehr. In ihren Zügen spiegelte sich die kalte Entschlossenheit, ihn zu töten. Rother fluchte in hilfloser Wut. Er ließ die Mähne seines Pferdes los und tastete unsicher nach dem Schwert an seiner Seite. Wenn er schon sterben sollte, dann wollte er wenigstens noch einen dieser verfluchten Rebellen mit sich in den Tod reißen!
    Zischend fuhr seine Klinge aus der Scheide. Er wollte den lombardischen Bastarden einen kühnen Schlachtruf entgegenschmettern, doch statt des Kaisernamens brachte er nur ein klägliches Röcheln hervor. Sein Mund war so trocken, als habe er ein Fuder Mehl geschluckt. Die Wirkung seines heiseren Krächzens jedoch war erstaunlich. Die Lombarden, die eben noch so entschlossen gewesen waren, ihn in Stücke zu reißen, liefen davon.
    Schnaubend kam die Stute auf dem Hügelkamm zum Stehen. Geduckt rannten die Bogenschützen zwischen den Rebstöcken auf der anderen Seite des Hügels hinab. Rothers Zorn war verraucht. Sein Herz schlug wie eine Trommel, und seine Rechte zitterte so sehr, dass er es nicht schaffte, sein Schwert in die Scheide zurückzuschieben.
    »Bei allen Heiligen, was ist nur in dich gefahren, Junge!«, erklang die atemlose Stimme Heinrichs hinter ihm. »Du solltest Gott auf Knien danken, dass du noch lebst! Wenn nicht ein Wunder geschehen wäre, hätten sie dich jetzt auf ihren Speeren aufgespießt wie einen Eber bei der Sauhatz!«
    »Ein Wunder …« Rother drehte sich im Sattel um. Aus Heinrichs Arm ragte der Schaft eines abgebrochenen Pfeils. Dunkles Blut sickerte durch die Ringe seines Kettenhemds. »Ihr … Ihr seid verletzt, Herr. Ich … Es tut mir leid …«
    Heinrich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der Pfeil hat kaum meinen Gambeson durchschlagen.«

    Der Ritter stieß sein Schwert in die Scheide. Mit einem Anflug von Neid bemerkte Rother, dass Heinrichs Hand völlig ruhig war, und dann sah er, wie sein Kamerad seinen Ausspruch über das Wunder gemeint hatte. Auf dem Weg neben der Scheune kam eine Kolonne von Reitern unter dem Löwenbanner des Herzogs von Berg den Hügel herauf. Vor ihnen waren die Bogenschützen geflohen!

2

    Anno fühlte sich unwohl, als er vor dem großen Zelt Rainald von Dassels stand. Der Fürsterzbischof von Cöln und Erzkanzler des Kaisers war nach dem Herrscher gewiss der mächtigste Mann im Reich. Seine Exzellenz hatte nach ihm geschickt; und so, wie es aussah, wollte von Dassel ihn allein sprechen. Noch nie zuvor war Anno seinem Lehnsherrn allein von Angesicht zu Angesicht gegenübergetreten.
    Die Plane am Eingang des Zeltes wurde zurückgeschlagen. Ein hagerer Mönch winkte ihn herein. »Seine Exzellenz erwartet Euch.«
    Anno zupfte verlegen an seinem verschlissenen Waffenrock. Die Farbe des Obergewands war in vielen Sommern verblichen, doch wenn man es nicht allzu aufmerksam betrachtete, sah es noch halbwegs passabel aus.
    Die Abendsonne, deren Schein nur gedämpft durch den roten Stoff fiel, tauchte das Innere des Zeltes in bedrückendes
Zwielicht. Es roch nach feuchten Kleidern, saurem Wein und Weihrauch. Der Erzbischof, ein Mann in mittleren Jahren, saß auf einem Klappsessel, auf dessen Armlehnen sich kunstfertig geschnitzte, gestreckte Löwen räkelten. Er war ganz versunken in das Studium eines Pergaments, das auf seinen Knien lag. Von Dassel war in einen Gambeson gekleidet, der vom Waffenfett des Kettenhemdes grau und speckig geworden war. Die ausgefransten Säume waren mit scharlachroter Seide eingefasst. Dazu trug der Fürst staubbedeckte braune Reitstiefel. Man sah ihm an, dass er den Umgang mit dem Schwert gewohnt war, und sein braun gebranntes Gesicht verriet auf den ersten Blick, dass er mehr Zeit auf den Straßen des Reiches als in den Gewölben von Skriptorien und Kanzleien verbracht hatte. Seine dunklen grauen Augen huschten aufmerksam über die Zeilen der Urkunde. Er hatte die Stirn in Falten gelegt, so als sei er über den Inhalt des Schreibens verärgert.
    Anno kniete vor seinem Fürsten nieder. Als der Erzbischof immer noch nicht aufblickte, räusperte er sich leise.
    »Ah, der Herr von Sennberg.« Rainald legte das Dokument zur Seite, stand auf und streckte seine Rechte vor.
    Der Ritter küsste ehrerbietig den Bischofsring, dann wies der Erzbischof auf einen zweiten Klappstuhl, der neben einem niedrigen Tisch stand. »Nimm Platz,

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