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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Gesicht fast völlig dahinter verschwand.
    »Willkommen, willkommen!«, begrüßte er sie überschwänglich. Er sprach Latein mit einem starken griechischen
Akzent. Seine Stimme war voll und dunkel. »Ihr seid die ersten Pilger seit mehr als drei Monaten. Zu dieser Jahreszeit kommen nur selten Reisende, um den brennenden Dornbusch zu besuchen.«
    Zenon, dessen Gesicht unter seiner Kapuze verborgen blieb, nickte Demetrios freundlich zu. »Es erwärmt das Herz, von einem Bruder in Christo so freundlich empfangen zu werden. Zumal wenn man an einen Ort kommt, der sich Besuchern so sehr verschließt wie dieses Kloster!«
    Der kahlköpfige Mönch lachte. »Gut gesprochen, Bruder. Seid unbesorgt, das Katharinenkloster hat sich noch jedem geöffnet, der reinen Herzens war. Doch wir leben hier inmitten von Heiden, und wir mussten schon vor langer Zeit lernen, dass es nicht schadet, sich nicht allein dem Schutz des Herrn, sondern auch dem Schutze hoher Mauern anzuvertrauen. Dieser Schutz ist umso wirksamer, seit es kein Tor mehr gibt, das man aufbrechen kann.«
    »Aber wie gelangt man denn ins Kloster, wenn es gänzlich eingemauert ist?«, fragte Heinrich voller Neugier.
    »Das werdet ihr bald sehen. Eure Pferde und eure Waffen werdet ihr hier bei mir lassen müssen. Denn Pferde fliegen nicht gut, und mehr als ein Messer, wie man es bei Tische benutzt, darf niemand ins Kloster mitnehmen.«
    Heinrich schaute den schwarz gekleideten Mönch verwirrt an. Pferde fliegen nicht gut … Ratlos blickte er zu den Mauern.
    »Denkst du, dass es möglich ist, für länger als nur ein paar Tage zu verweilen«, fragte Zenon in ausgesucht freundlichem Ton. »Wir möchten nicht allein die heiligen Orte besuchen, sondern auch die Schätze eurer Bibliothek in Augenschein nehmen.«

    »Die Bibliothek …« Demetrios räusperte sich verlegen. »Nun, ihr müsst wissen, dass unser Bruder Abt eine sehr eigene Auffassung dazu hat. Selbst die meisten Mönche hier haben niemals die Bibliothek betreten dürfen. Es heißt, dass in früheren Zeiten die Bücher Schaden genommen hätten, weil zu viele kamen und einfach nur die wunderbaren Bilder darin betrachteten. Männer und manchmal auch Frauen, die nie zuvor ein Buch in der Hand gehalten hatten und …«
    Heinrich spürte, wie sich sein Herz zusammenzog. Sollte all die Mühsal vergebens gewesen sein? »Ihr meint, niemand darf die Schriften einsehen, die im Kloster verwahrt werden?«
    »So ist es auch nicht. Es gibt nur die Regel, dass es Fremden nicht gestattet ist, die Bibliothek zu betreten. Mit einer besonderen Erlaubnis des Abtes werden euch die Bücher, die ihr zu sehen wünscht, ins Scriptorium gebracht, allerdings nur eins an jedem Tag. Dort könnt ihr unter der Aufsicht eines Mönchs darin lesen.« Demetrios hüstelte verlegen. »Es ist leider vorgekommen, dass Gäste in ihrer frommen Begeisterung Miniaturen aus unseren Codices herausgeschnitten haben, um sie mitzunehmen. Nicht, dass ich euch eine solche Barbarei unterstellen würde. Doch ist dies der Grund, warum ihr die Bücher nur unter Aufsicht einsehen dürft.«
    »Und nur eines pro Tag?«
    »So ist es!«
    »Macht der Alte Ärger?«, fragte Anno schroff. Obwohl die Unterhaltung auf Latein geführt worden war, schien er bemerkt zu haben, dass nicht alles nach Wunsch lief.
    »Er meint nur, dass es sehr viele Bücher gebe und wir vielleicht lange suchen müssen«, log Zenon. »Er hat uns sehr
freundlich empfangen, und du tätest gut daran, die Gastfreundschaft des Klosters nicht mit grober Rede zu beleidigen.«
    »Wir werden also länger bleiben?« Der Sennberger zog die Augenbrauen zusammen.
    »Moses irrte mit seinem Volk vierzig Jahre durch diese ausgetrockneten Täler. Da wirst du doch wohl ein paar Tage Geduld aufbringen können.«
    Anno brummte etwas und machte sich dann daran, sein Pferd abzusatteln.
    Einen Herzschlag lang hatte Heinrich das Gefühl gehabt, dass sich der Blick ihres Gastgebers verfinsterte. Sollte er etwa verstanden haben, was gesprochen wurde? Nein, das war sehr unwahrscheinlich. Vermutlich hatte er sich lediglich über die gereizte Stimmung unter den Reisenden gewundert. Für gewöhnlich waren Pilger, die nach dem langen Weg durch die Wüste diesen heiligen Ort erreichten, vermutlich wesentlich enthusiastischer.
    Nachdem die Pferde versorgt waren und sie ihre Waffen in einer Truhe im Haus des Demetrios verschlossen hatten, brachte der Mönch sie zur Mauer des Klosters. Es dämmerte. Irgendwo in den Bergen hörte man

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