Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Beduine sprach nicht sehr viel, aber gestern hatte er ihn eindringlich gewarnt. Ein Mann, der auf seinem Pferd einschlief und den Anschluss an seine Karawane verlor, war ein toter Mann. Selim beherrschte kaum mehr als zweihundert Worte in einem Kauderwelsch aus allen möglichen christlichen Sprachen. Aber es genügte, um sich ab und an ein wenig zu unterhalten.
Sein Führer hob die Hand. Er ritt eines der merkwürdigsten Tiere, die Lupo jemals gesehen hatte. Es hatte ein Fell in der Farbe des Sandes und sehr hohe Beine. Sein Kopf saß auf einem Hals, der wie bei einem Schwan gebogen war. Ein mächtiger Buckel erhob sich auf seinem Rücken. Diese Tiere waren noch launischer als der störrischste Esel! Aber sie ertrugen die Wüste besser als irgendein anderes Reittier. Die Hitze schien ihnen nichts anhaben zu können, und er hatte selbst beobachtet, wie ihnen ausgetrocknetes Dornengestrüpp als Futter genügte. Es war ein merkwürdiges Land. Mit jedem Tag konnte Lupo weniger begreifen, wie es Moses und sein Volk geschafft hatten, hier zu überleben.
Wenigstens wusste er nun, wohin die drei Ritter reisten. Als sie sich von Aila nach Süden gewandt hatten, hatte Selim ihm bei allen Weibern Mohammeds geschworen, dass die Franken zum Katharinenkloster unterwegs seien, dem einzigen Ort in dieser unwirklichen Bergwüste, zu dem sich gelegentlich christliche Pilger begaben.
Selim hatte sein seltsames Reittier gezügelt und deutete auf ein weites Tal, das sich etwa zwei Meilen entfernt nach Norden hin erstreckte. »El-Raha Ebene. Ebene der Ruhe. Gebelieh Land. Nichts gut. Diener von Mönchen. Besser in Berge gehen. Kloster nicht mehr weit. Auch Mittagsstunde vorbei!«
Lupo nickte müde. So war es in den letzten Tagen immer wieder gewesen. Wenn Selim Angst bekam, entdeckt zu werden, suchte er ein Versteck zwischen den Felsen. Der Falkner wendete seine Stute. Er war froh, bald für ein paar Stunden aus dem Sattel zu kommen. Auch wenn wenig Aussicht bestand, in dieser kargen Felslandschaft der Hitze zu entfliehen.
Heinrich dankte der Jungfrau Maria mit einem innigen Gebet, als ihr wochenlanger Leidensweg durch die Wüste sie endlich zu ihrem Ziel geführt hatte. Am Ende eines ausgedorrten Tals, flankiert von Bergen, die rötlich im Abendlicht glänzten, lag das Katharinenkloster. Umschlossen von hohen Mauern, wirkte die Anlage mehr wie eine Festung denn wie ein Refugium von Mönchen. Die ockerfarbenen Wälle waren viele Schritt hoch und durch Türme gesichert. Am befremdlichsten jedoch war es, das Tor des Klosters zugemauert vorzufinden.
Sie waren einmal um das Mauerkarree geritten und hatten vergebens nach einem Eingang gesucht, als ihnen von den Zinnen der Klosterfestung ein schwarz gewandeter Mönch zuwinkte. »Willkommen, Pilger!« Er deutete zu einem kleinen Haus, das im Schatten einiger Zypressen westlich des Klosters lag. »Ihr müsst zu Bruder Demetrios, er wird euch erklären, was zu tun ist!«
Schweigend ritten sie zu dem Haus hinüber. Seit dem Streit in den Hügeln bei Escalon hatten sie sich beinahe nur noch stumm belauert. Heinrich konnte Ludwig nicht vergeben, dass sie wegen eines Weibes hatten fliehen müssen. Und Anno war übellauniger denn je. Immer wieder hatte er auf der Reise wegen der belanglosesten Kleinigkeiten Streit angefangen. Ja, es schien, als hege er einen tiefen Groll. Aber nicht vornehmlich gegen Ludwig, sondern gegen ihn, Heinrich, hatte sich sein Zorn gerichtet.
Am umgänglichsten war noch Zenon. Hin und wieder waren sie Seite an Seite geritten und hatten stundenlange Gespräche geführt, doch meistens hatte sich der Mönch vollkommen in sich zurückgezogen. Er beharrte darauf, jede Nacht einen eigenen Lagerplatz zu haben, so als könne er die Nähe anderer Menschen im Schlaf nicht ertragen. Welchen Grund dieses sonderbare Gebaren hatte, erklärte er nicht, vielmehr schürte er damit Annos ohnehin schon fast krankhaftes Misstrauen.
Bei den Zypressen fanden sie eine Tränke. Es gab auch einen kleinen Garten. Man hatte Mauern aus Bruchstein aufgeschichtet, um den Flugsand fernzuhalten, und sich bemüht, im Schatten der Bäume ein paar Büsche mit Beeren zu ziehen. Kaum waren die vier aus den Sätteln, als auch schon Demetrios erschien. Er war von massiger Gestalt, die von seiner weiten schwarzen Kutte noch betont wurde. Sein kahler Schädel schimmerte rötlich im Abendlicht. Ein dichter grauer Bart reichte ihm bis zur Brust. Der Haarwuchs zog sich weit die Wangen hinauf, so dass sein
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