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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Jahr hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Selbst mit Zenon redete sein Kamerad kaum noch. Wenn Ludwig die beiden jetzt unterstützte, dann hieße das, sich gegen Anno zu stellen. Er mochte den Sennberger nicht sonderlich, aber wenn er ihn verlor, dann gab es niemanden mehr, mit dem er reden konnte.
    Ludwig sah den beiden nach, wie sie den Berg hinabstiegen. Hatte er einen Fehler gemacht? Er ging zu Anno und setzte sich neben ihm in den Schatten.
     
    Der enge Schacht reichte mehr als zehn Schritt in die Tiefe, bis er sich zur Zisterne erweiterte. Das Wasserreservoir war nicht so groß wie jenes, in dem sie sich in Konstantinopel versteckt hatten, doch seine Abmessungen waren immer noch eindrucksvoll. Heinrich hielt eine Fackel in die Höhe und sah sich um. Er hatte darauf bestanden, als Erster hinabzusteigen.
    Bis zur Decke mochten es vier Schritt sein. Sie war aus dem Felsen gehauen, ebenso wie die unförmigen Säulen, die sie stützten. Feiner Staub bedeckte den Boden. Offenbar waren alle Zugänge, durch die früher einmal Wasser in die Zisterne geleitet worden war, schon seit langem verschlossen. Aufmerksam untersuchte Heinrich den Boden. Zenon
hatte ihn vor Schlangen gewarnt, die sich in die unterirdische Kammer verirrt haben mochten.
    An den Wänden zeigten breite Kalkränder, wie hoch die Zisterne einst gefüllt gewesen war. Während er sich umsah, fand Heinrich noch zwei weitere quadratische Schächte, die früher einmal eine Verbindung zur Oberfläche dargestellt hatten. Jetzt jedoch waren sie verschlossen.
    Einige Steine fielen polternd zu Boden, als sich Zenon abseilte. Unstet tanzte das Licht der Fackel auf Säulen und Wänden. Plötzlich fiel Heinrichs Blick auf einen dunklen Schatten, der an einer Säule kauerte. Die Hand des Ritters fuhr zu seinem Schwert. »Wer dort?«
    Fluchend landete Zenon auf dem Boden der Zisterne.
    »Bleib, wo du bist!«, zischte Heinrich und ging langsam auf den Kauernden zu. Es war eine Gestalt in schmutziger schwarzer Kutte. Vielleicht ein Mönch? Dass Fremde in sein Versteck eingedrungen waren, schien ihn nicht im mindesten zu kümmern. Jedenfalls rührte er sich nicht.
    Trotz der Warnung eilte Zenon an Heinrichs Seite. Vorsichtig näherten sie sich dem stummen Wächter. Als sie bis auf zwei Schritt an den Mann heran waren, riss der Grieche den Ritter ein Stück zurück.
    »Sieh dort!«
    Griechische Buchstaben! Sie waren in den feinen Staub zu Füßen des Wächters geschrieben.
    Zenon nahm Heinrich die Fackel ab und leuchtete dem Mönch direkt ins Gesicht. Es war eingefallen. Die Haut straff über die Knochen gespannt. Der Mann hatte die Augen geschlossen, als sei er eingeschlafen, doch es war offensichtlich, dass er nie mehr aufwachen würde. Neben ihm lag ein Sack.

    Zenons Lippen bewegten sich, während er las. »Er gehörte zu den Mönchen aus dem kleinen Kloster, das einmal zwischen den Ruinen stand. Sie haben ihn hinabgelassen, als Araber plündernd durch das Land zogen. Er konnte mit anhören, wie das Kloster über ihm angegriffen wurde. Niemand blieb übrig, der ihn wieder heraufgeholt hätte.« Der Grieche drehte sich um und sah zu dem Seil, das aus dem Schacht hinabhing.
    »Er hat den Schatz des Klosters bewacht. Als er wusste, dass er nicht mehr entkommen würde, hat er sich hier an der Säule niedergelassen, diese Zeilen geschrieben und betend auf den Tod gewartet. Das alles geschah zu Zeiten des Kaisers Konstantin III. vor mehr als fünfhundert Jahren.«
    Heinrich schauderte es. Einfach so dazusitzen und auf den Tod zu warten. Er würde sich seinem Schicksal nicht ohne Widerstand fügen! Er hätte nach einem Ausweg gesucht! »Warum hat man ihn hier hinabgelassen? War er ein heiliger Mann, der gerettet werden sollte?«
    Der Mönch deutete mit dem Fuß auf den Sack. »Er hat den Klosterschatz bewacht. Altargerät, vielleicht auch Reliquien und Ikonen.«
    Heinrich beugte sich vor und wollte den Inhalt des Sackes untersuchen, als Zenon ihn erneut zurückzog.
    »Lass ihn ruhen. Er hat sein Leben für diese Dinge gegeben. Du willst doch keinen Toten bestehlen!«
    »Aber irgendjemandem müssen die Dinge doch gehören«, wandte der Ritter ein.
    Der Mönch blickte zur Decke der Zisterne. »Das Kloster ist zerstört. Wem sollten wir die Schätze überlassen? Dem Patriarchen von Jerusalem?«

    Auf der Reise nach Bethlehem hatten die drei in Jerusalem verweilt, um die Grabeskirche und die anderen heiligen Stätten zu besuchen. Dort hatten sie auch erlebt, wie der

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