Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
runzelte die Stirn. Dies Angebot stank wie ein alter Fisch in der Mittagssonne. »Ich bin durch den Lehnseid meines Vaters bereits zur Treue verpflichtet. Warum sollte der Fürsterzbischof wohl für etwas zahlen, das ihm ohnehin schon gehört?«
»Vielleicht weil er etwas erwartet, das nicht selbstverständlich ist? Er hat große Pläne, und er braucht Männer, auf deren Treue er sich bedingungslos verlassen kann. Ich bin zu dir gekommen, weil mir unser Ritt gestern früh als ein gutes Omen erschienen ist. Gottes Hand lag schützend über uns!«
»Gottes Wille ist für uns Sterbliche unergründlich«, entgegnete Heinrich kühl.
Anno nickte in einer Beiläufigkeit, die Heinrich nicht gefiel. Der Sennberger war ein Mann, dem nicht Gottesfurcht sein Ansporn war, sondern die Jagd nach irdischen Besitztümern. Er war kaum besser als ein Söldner. Und doch war sein Angebot verlockend! Heinrich atmete tief durch. Mochte es sein, dass der Herr ihn auf die Probe stellte? Nie hätte er gewagt, sich gegen seinen Vater aufzulehnen und ihm seine Treue als Sohn zu verweigern. Aber er träumte schon so lange davon, zu den Rittern des Herrn zu zählen. Den Templern, die lebten wie Mönche und doch so machtvoll für Gott stritten, dass die Waffentaten ihres Ordens in aller Munde waren. Seit er zum ersten Mal unter der Aufsicht seines Vaters mit seinen Brüdern gefochten hatte, loderte in ihm ein wildes Feuer. Lange hatte Heinrich sich im Kloster gesträubt, ein bußfertiger Mönch zu werden. Mit den Jahren jedoch hatte er die stillen Stunden im Scriptorium schätzen gelernt. Doch kaum hatte er seinen Frieden gefunden, hatte seine Familie ihn in ein neues Leben
geworfen. Was schuldete er ihnen? Er hatte sein Wort gegeben, an Stelle seiner Brüder für den Kaiser zu kämpfen. Aber sein Schwur galt nur für diesen Feldzug. Seit er im Scriptorium die Ordensregel der Tempelritter abgeschrieben hatte, verging kein Tag, an dem er nicht sehnsuchtsvoll an Outremer dachte.
»Ich bin Euer Mann, Anno!«
»Schlag ein darauf, Freund!« Der Sennberger lächelte und streckte ihm seine mächtige Hand entgegen. »Ich weiß, dass uns Großes bestimmt ist!«
»Er hat zehn Meilen rund um die Stadt zu einer Wüste gemacht«, rief Obert, der Erzbischof von Mailand. Er war ein Mann von beträchtlicher Leibesfülle; während er umherstampfte, erzitterte der hölzerne Boden unter seinen schweren Schritten. Rote Flecken malten sich auf seinen Wangen ab, und seine Augen hätten einem Mosesbildnis wohlangestanden, das den Unverzagten in dem Moment zeigte, in dem er im Zorn die Gesetzestafeln zerschmetterte.
Papst Alexander hingegen stand ruhig am Fenster und blickte auf den Hafen Genuas hinab, während er darauf wartete, dass die Wut des Erzbischofs verflog. Ihm ging das Ungestüm Oberts ab. Doch seine Besonnenheit hielten manche in diesen unruhigen Zeiten für Schwäche. Hochgewachsen und dürr, mit einem Antlitz, das ihm den Spottnamen Pferdegesicht eingebracht hatte, war er kein Mann, der die Massen begeisterte. Wenn sich dennoch der größere Teil der Christenheit hinter ihn stellte, dann nicht um seinetwillen, sondern weil es gegen den Kaiser ging.
»Wie es scheint, will Barbarossa seinen Bart mit dem Blut der Lombarden färben«, fluchte Obert. »Und nun, wo er
sich in Pavia mit diesem Teufel von Erzbischof und dessen Heer vereint hat, wird er noch kühner werden. Was also ist zu tun, Euer Heiligkeit?«
Alexander faltete die Hände und blickte zum Himmel auf. »Wir werden abwarten. Auch wenn sich auf dem Konzil von Toulouse zwei Könige, der Patriarch von Jerusalem und die Mehrheit der Erzbischöfe hinter mich gestellt haben, gebiete ich dennoch über keine bewaffneten Heerscharen. Ich bin nicht wie dieser Rainald aus Cöln. Ein Geistlicher gehört nicht in ein Kettenhemd und an die Spitze eines Heeres! Wir werden beten und hoffen, dass Gott uns hilft, im Angesicht der Feinde stark zu sein.«
»Beten allein wird Mailand nicht retten«, schnaubte Obert.
Der Papst machte eine beschwichtigende Geste. »Die Kaiserlichen sind nicht stark genug, um eure Mauern zu stürmen. Sag deinen Konsuln, sie sollten das tun, was sie am besten können: die Sache wie ein Geschäft betrachten! Barbarossa und selbst sein verfluchter Erzkanzler wissen, dass sie die Stadt nicht nehmen können. Am Ende wird es einen Handel geben, und alles ist vorbei.«
Obert lächelte höhnisch. »Aber das Wort, das ein aufrechter Christ einem Kaiser gibt, den Ihr, Euer
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