Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
übernachten.
Unter Köster fand Heinrich sich von einer Schar fetter Gänse umringt, die ein barfüßiger Junge vor sich hertrieb. Die meisten der Bauten hier waren zumindest teilweise aus Stein errichtet, auch wenn die oberen Stockwerke in der
Regel aus Fachwerk bestanden. Viele Häuser waren bunt getüncht, in dunklem Rot, ockerfarben oder gelb. Sie prunkten mit Erkern aus schön geschnitzten Balken und bemalten Fensterläden, mit Satteldächern, die sich weit über die Gassen beugten, und Türen, die mit kunstvoll geschmiedeten Eisenbändern beschlagen waren. Bei den beiden Märkten war viel gebaut worden in den Jahren, die Heinrich in Italien und Outremer verbracht hatte. Etliche Häuser waren um Vorbauten erweitert oder gar neu und größer wiedererbaut worden. Dem Erzbischof war dies ein Dorn im Auge, denn die Bürger hatten die meisten Erweiterungen vorgenommen, ohne sein Einverständnis einzuholen, und Rainald von Dassel war kein Fürst, der einen Eingriff in seine Rechte duldete.
Heinrich trat in den Schatten eines vermauerten Tors und wartete. Er wusste, dass Clara zur Abendstunde stets in der nahe gelegen Pfarrkirche Sankt Brigiden zum Gebet weilte. Auch Jacop Schnitter hatte sein Anwesen erweitert. Ein neuer Lattenzaun schloss sich seitlich an das hohe Haus an, dahinter war ein Stall errichtet worden. Nun, solange Rainald in die große Politik und die Vorbereitung des nächsten Kriegszugs nach Italien eingebunden war, würde ihm wohl kaum die Zeit bleiben, sich um ein paar morsche Zäune zu kümmern.
Es war schon fast dunkel geworden, als Heinrich eine Gestalt auffiel, die sich am Eingang des Halbmondgässchens herumdrückte und ebenfalls den Heumarkt beobachtete. Wenn er an Sankt Brigiden vorbei über den Buttermarkt ging, würde er sich von hinten an den Kerl anschleichen können. Aber dann sah er Clara aus der Kirche zurückkehren und über den Marktplatz schreiten. Sie trug ein langes
dunkelgrünes Kleid und hatte ein dünnes Tuch um die Schultern geworfen. Ihr Haar war offen und fiel ihr weit über die Schultern hinab. Clara hatte das Kleid gerafft, um den Saum nicht mit dem Schmutz der Gassen zu besudeln. An ihrer Seite ging eine ältere Frau. Offenbar ließ man sie nicht aus den Augen. Die Gassen von Cöln hatten nicht den besten Ruf.
Kurz bevor die zwei Frauen das Haus erreichten, löste sich der Schatten vom Eingang des Halbmondgässchens und eilte mit weiten Schritten über den Mark. Die Gestalt rief etwas, worauf die beiden sich umdrehten. Der Fremde trug eine schmutzige, abgerissene Mönchskutte. Sein Schädel war fast kahl geschoren. Das Gesicht wirkte hager, war aber im Zwielicht nicht deutlich zu erkennen.
Der schmutzige Mönch sprach mit Clara. Sie deutete auf das Haus, doch er schüttelte entschieden den Kopf. Schließlich schritt die ältere Frau zur Tür und verschwand. Nur Augenblicke später erschien Jacop Schnitter. Offenbar wiederholte er die Einladung an den Mönch. Es gab einen kurzen Disput, schließlich zog auch er sich achselzuckend zurück.
Der Fremde blickte immer wieder nervös um sich. Den Gesten, der Größe und vor allem der Kleidung nach zu urteilen, mochte es Ludwig sein, doch ganz sicher war Heinrich sich nicht.
Der Mönch deutete auf den Zaun. Schließlich gingen Clara und er hinüber und verschwanden in dem Stall, der bei dem Kaufmannshaus errichtet worden war.
Die Dämmerung war fast schon der Nacht gewichen. Vorsichtig und immer im Schatten der Häuser schlich Heinrich bis zum Zaun. Zwischen den Fugen des hölzernen Stalls leuchtete Licht. Wie konnte der Kaufherr Clara mit diesem
schmutzigen Kerl allein lassen? Auch wenn er ein Mönchsgewand trug, so machte er doch einen verwahrlosten Eindruck.
Langsam schob Heinrich das Tor im Zaun auf und begab sich zur Rückwand des Stalles. Nun konnte er die Stimmen der beiden vernehmen, und durch ein Astloch in der Bretterwand sah er, dass Clara auf einem Fass saß. Der Mönch war vor ihr niedergekniet und hielt demütig das Haupt gebeugt, wie um zu beichten. Die Stimme war Heinrich wohlvertraut: Es war Ludwig, sein ehemaliger Gefährte. Er redete ohne Unterlass, so als wäre der Teufel hinter ihm her und ihm bliebe nicht viel Zeit. Von den Kämpfen um Mailand erzählte er, davon, wie die Drei Könige aus der Stadt geschafft worden waren und welchen Auftrag Claras Vater und die anderen beiden Ritter erhalten hatten. Auch von Heinrichs schwerer Verwundung berichtete er. Clara, die ansonsten schweigend zuhörte,
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