Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Erzbischofs fassten, bevor er Clara traf, dann starb er wenigstens nicht von eigener Hand, und der Weg ins Himmelreich blieb ihm offen.
Nachdem Ludwig seinen Entschluss gefasst hatte, bat er den Abt an sein Lager und legte eine umfassende Beichte ab. Er wusste, dass Gerardus seinem Erzbischof nahestand und dass er vieles nicht würde glauben wollen, doch für Ludwig war nur wichtig, seine Seele unbefleckt zu wissen. Im Kloster nahm man an, dass er sterben würde. Doch stattdessen begann er wieder Nahrung zu sich zu nehmen und zu Kräften zu kommen. Er hatte ein neues Ziel vor Augen.
All das war vor einer Woche geschehen. Ludwigs Flucht war geglückt. Nun musste er noch weniger als zwanzig Meilen zurücklegen, um nach Cöln zu gelangen. Er hatte gehört, dass der Kaiser mit großem Gefolge in der Stadt weilte. Es würde leicht sein, die Tore zu passieren, wenn so viele Fremde ein und aus gingen. Vielleicht könnte er sich einer Gruppe von Pilgern anschließen.
Rainald hieb auf den Tisch. Sein Gesicht glühte vor Wut. »Ich will, dass er gefunden wird, noch heute!«
Nie hatte Heinrich den Erzbischof so außer sich gesehen. Fluchend ging Rainald im Zimmer auf und ab. Vor einer Stunde erst hatte er Nachricht erhalten, dass Ludwig vor drei Tagen aus seinem Kloster geflohen war. Er hatte daraufhin das Mittagsmahl mit dem Kaiser abgesagt und nach Ricardo und ihm schicken lassen.
»Der Bastard wird alles ausplaudern«, ereiferte sich der Erzbischof. »Ich bin mir sicher, dass er versucht, zum Kaiser zu gelangen, oder dass er morgen bei meiner Weihe irgendeine Schurkerei begehen will. Ihr müsst ihn finden! Und dann sorgt dafür, dass er nie wieder eine Gefahr werden kann.«
»Und wenn er gar nicht hierherkommt? Vielleicht sitzt er in irgendeinem Wirtshaus, eine Hure im Arm, und ist nur froh, dem Kloster entflohen zu sein«, gab Heinrich zu bedenken.
»Menschen verändern sich«, entgegnete Rainald zornig. »Außerdem wurde er in Bonna gesehen. Er ist auf dem Weg nach Cöln!«
»Aber wie sollen wir ihn finden?«, fragte Ricardo vorsichtig. »Hunderte Fremde sind in der Stadt, um morgen Zeugen Eurer Weihe zu werden. Alle Gasthäuser sind überfüllt. Vor den Mauern hat das Gefolge des Kaisers ein Zeltlager aufgeschlagen, und wer weiß, wie viele in dieser Nacht einfach auf den Wiesen schlafen.«
»Es ist mir gleichgültig, wie ihr ihn findet! Ihr könnt alle Stadtbüttel und Wachen aufscheuchen, um ihn zu suchen. Lasst euch etwas einfallen. Aber sorgt mir dafür, dass es unauffällig vor sich geht. Ich will nicht, dass der Kaiser Fragen stellt!«
»Die Stadtbüttel werden nicht einfach unseren Befehlen gehorchen«, wandte Heinrich ein. »Ihr kennt die Cölner, Herr. Sie haben ihren eigenen Kopf, und sie wüssten ja nicht einmal, dass wir in Euren Diensten stehen.«
»Die Cölner wissen, wie viel Gold die Pilger, die zu Ehren der Drei Könige kommen, ihnen in die Stadt tragen. Außerdem wünschen sie, dass ich den größten Teil des Geldes für die Brücke aufbringe, die sie über den Rhein schlagen wollen. Sie werden sich mir nicht widersetzen. Und was die Tatsache angeht, dass man euch nicht kennt …« Rainald öffnete ein silberbeschlagenes Kästchen, das vor ihm auf dem Tisch stand, und nahm etwas heraus. »Ich habe für jeden von euch einen Ring mit meinem Siegel. Wenn ihr mein Siegel tragt, wird niemand anzweifeln, dass ihr meine Vertrauten seid und eure Anweisungen unbedingt zu befolgen sind. Im Übrigen hat man euch oft genug mit mir gesehen.«
Heinrich nahm den schweren silbernen Siegelring entgegen. Darauf prangte ein münzgroßer Aufsatz, in den drei Kronen und elf Flammen geprägt waren. Der Ritter musste an das Begräbnis Rothers denken, an jenen Tag, als Rainald dem Jungen die drei Kronen aus dem Wappen gestohlen hatte.
»Ihr dürft euch nun zurückziehen. Und sobald ihr den Kerl habt, wünsche ich umgehend benachrichtigt zu werden.«
Heinrich verneigte sich. Wie vor einem Jahr trug er noch eine schwarze Mönchskutte. Er hatte sich an diese Kleidung gewöhnt; nur sie vermochte vollständig zu verbergen, was man seinem Leib angetan hatte. Zog er die Kapuze weit nach vorne, fiel es nicht sofort auf, dass er eine Maske trug,
und verschränkte er die Arme vor der Brust, mochte er seine verstümmelten Hände in den weiten Ärmeln verbergen. Ricardo hingegen schien den größten Teil des Goldes, das ihm der Erzbischof für seine Dienste überließ, für kostbare Kleidung aufzuwenden. Er war nach der
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