Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
neuesten Mode des Hofs gewandet, trug eng anliegende Beinkleider und ein Wams mit weit ausgeschnittenen Ärmeln, die mit Pelz besetzt waren. Ein roter Gürtel mit Silberbeschlägen war um seine Hüfte geschlungen. Wie ein Ritter führte er Dolch und Schwert. Für einen Söldner hatte er es zweifellos weit gebracht.
Als sie den neuen Palast des Erzbischofs verlassen hatten, hielt Ricardo ihn zurück. Er lächelte gezwungen. »Lass uns unsere Fehde für heute vergessen.« Er streckte Heinrich die Hand entgegen. »Wenn wir Ludwig nicht finden, wird es uns beiden schlecht ergehen.«
Heinrich zögerte. »Hast du einen Plan?« »Zunächst sollten wir die Mannschaften bei den Toren verständigen. Beginnen wir beim Hahnentor und folgen dann der Mauer. Danach wäre es wohl klug, wenn wir uns trennen. Das vergrößert die Aussicht auf Erfolg. Wenn der Kerl nicht dumm ist, sollte es ihm nicht schwerfallen, sich vor uns zu verbergen.«
»Wenn er hierher nach Cöln kommt, ist er dumm!« Heinrich ergriff die Hand des Söldners.
Auf der Pfaffenstraße, im Schatten des Doms, legte Heinrich eine Rast in einer Weinstube ein. Den ganzen Nachmittag war er durch die Stadt geirrt und hatte jedem, der ihm begegnete, ins Gesicht gestarrt. Vergebens! Ludwig auf diese Weise finden zu wollen, war aussichtslos! Nur er selbst
hatte Aufsehen erregt. Die Menschen schraken zusammen, wenn sie seiner Ledermaske unter der schwarzen Kutte gewahr wurden.
Heinrich bestellte einen der sauren Weine aus dem Ahrtal und blickte zu den frisch vergoldeten Turmknäufen des alten Doms hinauf. Rainald hatte den Auftrag erteilt, zwei zusätzliche Türme anzubauen und im Inneren der riesigen Kirche etliche Seidenteppiche aufzuhängen, die zu seiner Kriegsbeute aus Mailand gehörten. Der alte Dom war ein prächtiger Bau. Vielleicht ein wenig zu grob und kantig, verglichen mit den Kirchen Italiens und Burgunds, aber ohne Zweifel eindrucksvoll. Eine gute Kulisse für eine pompöse Weihezeremonie. Aber hatte Rainald Recht mit seiner Besorgnis? Würde Ludwig tatsächlich versuchen, die Festlichkeiten zu stören? Es passte nicht zu dem Ritter, der immer ein Bänkelsänger hätte sein wollen, sich in die Intrigenspiele des Erzbischofs einzumischen!
Und wohin würde Ludwig sich wenden, wenn er nach Cöln käme? Heinrich wusste nicht, wen sein ehemaliger Gefährte in der Stadt kannte und wer ihm hier Obdach gewähren könnte, aber für gewöhnlich war es eine Frau, bei der er Schutz suchte. Vermutlich würde er sich bis zur Dämmerung versteckt halten. Und dann? Heinrich musste an Clara denken. Seit einem Jahr lebte sie beim Kaufmann Jacop Schnitter, in einem Haus am Heumarkt. Er, Heinrich, würde zu ihr gehen, wenn er in die Stadt käme!
Er setzte seinen Weinbecher ab und legte ein Kupferstück daneben. Warum nicht das Haus des Kaufmanns beobachten? Dieser Ort wäre so gut wie irgendein anderer, an dem Ludwig nicht erscheinen mochte! Außerdem würde er so vielleicht Clara zu Gesicht bekommen. Heinrich hatte sie
noch nicht gesehen, seit er mit dem Erzbischof nach Cöln zurückgekehrt war. Wann immer er in die Stadt kam, beobachtete er das Haus am Heumarkt und holte Erkundigungen über das Mündel des Kaufherrn ein. Clara schien in ihrer neuen Familie glücklich zu sein.
Einmal hatte er sogar unter dem Vorwand, Tuche aus Flandern kaufen zu wollen, das Haus aufgesucht. Jacop hatte einen trefflichen Eindruck auf ihn gemacht. Der Kaufherr war nicht allzu groß, ein wenig korpulent und hatte ein freundliches, weltoffenes Gesicht, das von einem sorgfältig gestutzten, schon ergrauten Bart gerahmt wurde. Der Kaufmann war nicht vor seiner furchterregenden Erscheinung zurückgezuckt; im Gegenteil, sie hatten über eine Stunde über Stoffe und den Handel im Allgemeinen geplaudert. Und die Preise, die der Kaufherr für seine Waren einforderte, überstiegen nicht ein angemessenes Maß. Heinrich hatte ihn in der tröstlichen Gewissheit verlassen, dass Clara bei einem guten Menschen untergekommen war.
Mit gesenktem Haupt ging er über den Domplatz durch die enge Bechergasse zum Alten Markt. Überall drängten sich Fremde, die verzweifelt ein Quartier für die Nacht suchten. Die meisten Klöster und etliche Bürgerhäuser boten Schlafplätze an, um all die Schaulustigen unterzubringen, die morgen dem großen Ereignis beiwohnen wollten. Wer bis Sonnenuntergang keine Bleibe hatte, würde aus der Stadt gewiesen, um irgendwo am Rheinufer oder in den Feldern zu
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