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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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hatte.
    Seine Schritte hatten ihn auf den Platz geführt, auf dem der Dom stand, der nie vollendet worden war. Lupo schlug ein Kreuz. Schon sein Großvater hatte geholfen, an diesem Gotteshaus zu bauen. Nie würde dort das Lob des Herrn gesungen werden. Es war alles vergebens gewesen!
    Vom Domplatz aus fand er die schmale Gasse, die er so oft entlanggegangen war. Er zählte die verfallenen Türöffnungen, bis er zuletzt vor dem Haus stand, das einmal sein Heim gewesen war. Wie oft hatte Julia hier gestanden und auf ihn gewartet …
    Müde ging er über den Hof und ließ sich auf der Bank nieder. Der Stein hielt noch immer ein wenig von der Wärme der Mittagssonne gefangen. Lupo lehnte sich zurück und betrachtete die kahlen Wände des Hofs. Ob die Steine wohl etwas von jenen Menschen in sich aufnahmen, die hier einmal gelebt hatten? Gab es hier etwas, das sich noch an Julia und Amizio erinnerte? Und war er nicht auch nur noch ein Geist? Er, Lupo Cresca, einst stolzer Falkner des Fürsten Anselmus de Bonate.
    Er kramte einen Kerzenstumpf aus dem kleinen Beutel
an seinem Gürtel hervor. Es dauerte lange, bis es ihm gelang, eine Flamme zu entzünden. Die tote Stadt schien kein Licht mehr innerhalb ihrer dunklen Mauern dulden zu wollen.
    Die Hälfte des Blutgeldes, das er vom Erzbischof erhalten hatte, war schon dahin. Er hatte es ausgegeben, um im Dom zu Mailand eine Messe für Julia und Amizio lesen zu lassen.
    Die flackernde Flamme der Kerze riss die verkohlten Reste des Rosenstocks neben der Bank aus der Finsternis. Zwischen dem toten Holz ragte ein einzelner dünner Zweig empor, an dessen Spitze eine kleine blutrote Rosenblüte saß.
    Lange starrte er auf die zarte Blüte. Sie gehörte nicht hierher. Langsam zog er sein breites Messer. Die Waffe wog so schwer wie ein Schwert in seiner Hand. Mit einer schnellen Bewegung durchtrennte er den Zweig und schob die Rose unter sein Wams.
    Gott hatte es so gefügt, dass er überlebt hatte; und das konnte nur einen Grund haben. Lupo der Falkner erhob sich und blickte zum Mond, dessen vernarbtes Gesicht schon weit über den Himmel gewandert war. Es war an der Zeit, endlich auf die Jagd zu gehen!
     
    Etwa zwanzig Kinder hatten sich beinahe lautlos am Portal von Sankt Eustorgio versammelt. Rother erschienen sie ganz anders als die Kinder des Gesindes, mit denen er auf dem Gut seines Vaters aufgewachsen war. Alle waren sie erschreckend mager.
    »Ich weiß nicht, warum wir uns hier noch verstecken«, brummte Anno leise. »Lasst uns die Bälger vertreiben!«
    Heinrich hielt ihn am Arm zurück. »Hast du vergessen,
dass wir keine vierhundert Schritt vom nächsten Stadttor entfernt sind? Wenn wir uns die Kleinen greifen, haben wir, ehe wir uns versehen, die Mauerwachen am Hals.«
    Unter den Kindern am Portal entstand plötzlich Unruhe. Zwei weitere Schatten zeigten sich im Eingang. Diesmal waren es ohne Zweifel Erwachsene. Flüsternd besprachen sie etwas, und dann folgten die Kinder den Neuankömmlingen hinaus auf den Friedhof.
    Als der letzte Schatten durch die Tür verschwunden war, sprang Rother auf und eilte zum Portal. Vor dem Eingang warteten zwei Esel, und die beiden Erwachsenen verteilten Brote an die Kinder, die sie sogleich in großen Leinenbeuteln verstauten. Das Ganze dauerte nur wenige Augenblicke. Sobald eines der Kinder seine Taschen gefüllt hatte, machte es sich davon und verschwand zwischen den Grabsteinen. Als das letzte Brot verteilt war, besprachen die beiden Schmuggler noch kurz etwas mit dem Anführer der Kinder und verschwanden dann ebenso in die Nacht. Der Anführer aber blieb noch einen Atemzug lang stehen und blickte zur Kirche, als habe dort etwas seinen Argwohn erweckt.
    Erschrocken duckte sich Rother tiefer in den Schatten des Portals. Hatte man ihn am Ende bemerkt? Doch als er schon meinte, entdeckt worden zu sein, eilte der fremde Junge den Kindern hinterher und verschwand hinter einer Gruft.
    Rother überlegte, ob er ihnen folgen sollte. Offenbar schien es abseits des Tors noch einen verborgenen Weg nach Mailand zu geben. Vielleicht könnte man dort einen nächtlichen Überraschungsangriff führen und die Stadt im Handstreich nehmen? Im Geiste sah sich Rother vor dem
Kaiser knien, der ihn zum Lohn dafür, dass er zur Eroberung Mailands beigetragen hatte, zum Ritter schlug.
    In der Nische am Sarkophag flammte die Öllampe wieder auf. »Beim Kreuze Christi!«, fluchte Anno. »Sie sind fort!« Er hielt das Licht dicht über den Spalt zwischen dem

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