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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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es auf eine ganze Stadt anwenden? Es hieß doch, das Land und der Kaiser seien eins. Wenn es dem Kaiser schlecht ginge, so müsse auch das Land leiden. War der Kaiser aber stark und gut, dann würde auch das Land reiche Frucht tragen. War Barbarossa vielleicht krank, wenn solche Dinge in seinem Land geschehen konnten? Bereiteten ihm die brennenden Felder Schmerzen? Oder war das nur heidnisches Geschwätz?
    Rother blickte zu Heinrich. »Und was denkt Ihr? Ist es besser, die brandige Hand beizeiten abzuschlagen?«
    Der Ritter strich sich über den Bart. Es schien, als wöge er jedes seiner Worte sorgsam in Gedanken, bevor er antwortete: »Meiner Meinung nach wäre es das Klügste gewesen, sich zur rechten Zeit an einen guten Wundarzt zu wenden. So hätte man die Hand vielleicht retten können.«
     
    Das letzte Rot der Sonne verblasste am Abendhimmel. Die Pferde waren bei einem Vorposten nahe eines verfallenen Bauernhauses zurückgeblieben. Geduckt folgten die vier Ritter dem Graben neben der Straße. Gleich Grabsteinen ragten neben dem Graben die Stümpfe abgeschlagener Pappeln auf.
    Wie gebannt hielt Rother die Augen auf das Tor gerichtet, das die graue Linie der Stadtmauer unterbrach. Eine klaffende Wunde im Stein, aus der sich jeden Augenblick Tod und Verderben auf die Straße ergießen konnten. Vor allem bei Nacht schickten die Mailänder Reitertrupps aus
ihrer Stadt, um sich mit den Vorposten des kaiserlichen Heeres kleine Scharmützel zu liefern. Kalter Schweiß rann Rother den Nacken hinab und tränkte seinen Gambeson.
    Anno, der an der Spitze ging, hob die Hand und deutete auf die kleine Kirche, die nicht weit von der Straße lag. Vierhundert Schritt mochten es noch bis dorthin sein. Rother spähte über die verwüsteten Äcker. Das Gotteshaus lag in Schussweite der Stadtmauer. Warum, bei allen Heiligen, mussten sie sich zu dieser Kirche schleichen?
    Sie folgten dem Sennberger aus dem Straßengraben und huschten entlang des schmalen Weges von Baumstumpf zu Baumstumpf. Wenn man sein Leben riskierte, ging es Rother durch den Kopf, hatte man dann nicht wenigstens das Recht zu wissen, wofür? Er stieß mit dem Knie gegen einen vorspringenden Stein. Grimmig presste er die Lippen zusammen und fluchte stumm. Sie verließen die verbrannten Felder und stiegen über eine niedrige Mauer. Eine Wüstenei aus Stein umgab sie nun. Ein alter Friedhof. Rother erkannte es vor allem am Geruch. Faulige Pflanzen, abgestandenes Wasser und ganz schwach ein Verwesungsduft. Das war wie zu Hause. Alles andere war fremd. Der Gottesacker nah der Burg seines Vaters war genau das, was das Wort besagte. Ein Acker. Die Gruben, die man dort in der Erde aushub, verschwanden bald wieder. Steine gab es wenige. Aber hier … Hier war alles aus Stein. Alter Stein, an dem schwarze Schmutzschlieren herabliefen. Hier und da hatte man Buchstaben in die Grabsteine geschnitten. Manche zeigten sogar Bilder. Die Gesichter waren oft eingeschlagen. Nasen abgesplittert. Aber dennoch war unverkennbar, wie kunstfertig die Bildhauer gewesen waren, die ein letztes Gedenken an die Toten zu Stein werden ließen.

    Rother gaffte mit offenem Mund all die Wunder an, die es hier zu sehen gab. Sie hatten sogar Häuser für die Toten gebaut. Aus Stein! Diese Leichen hausten besser als die meisten Leibeigenen seines Vaters. Die meisten Türen der Totenhäuser waren eingeschlagen. Vor manchen lagen Gebeine und zerfetzte Totenhemden. Einmal sah Rother eine junge Frau, die nicht allzu lange tot sein konnte. Ihre Haare, die man zur Bestattung geflochten hatte, waren zerzaust. Die Lippen dunkel. Eines der Augen war geöffnet und starrte auf die aufgebrochene Tür des Totenhauses. Ihr Leichenhemd war bis weit den Rücken hinauf hochgeschoben. Beschämt wandte Rother den Blick ab. Wie konnte der Kaiser so etwas zulassen? Sie waren doch die Guten! Vielleicht waren es ja nicht seine Ritter gewesen, die hierhergekommen waren, um die Gräber zu plündern … Von all dem ungerührt, schritt Anno ihnen voran auf das Portal einer kleinen Kirche zu, die sich inmitten des Gräberfelds erhob. Rother beeilte sich, mit den anderen Schritt zu halten.
    Der Sennberger öffnete das Tor der Kirche, dessen Angeln krächzend gegen die nächtliche Störung aufbegehrten.
    Rother schlug das Kreuzzeichen und kniete kurz im Mittelgang nieder. Es herrschte eine unheimliche Stille. Nur das Geräusch ihres Atems war zu hören. In der Dunkelheit konnte man kaum den Altar am Ende des Mittelschiffs

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