Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
sehen.
    »Wo sind wir hier?«, erklang Ludwigs Stimme. Obwohl er leise gesprochen hatte, hallten seine Worte von den Wänden wider.
    »Sankt Eustorgio«, entgegnete Anno.
    »Und was wollen wir hier? Findest du nicht, dass es langsam an der Zeit wäre, uns zu erklären, was wir hier suchen?«

    Statt einer Antwort erklang das Geräusch von Feuerstein und Stahl. Winzige Funken leuchteten in der Finsternis und verblassten, bis endlich der ölgetränkte Docht einer Laterne aufflammte. Im warmen Licht der kleinen Flamme konnte Rother seine Gefährten nun deutlicher erkennen. Heinrich kniete noch immer im Gebet versunken, während Ludwig vor Anno stand und den Sennberger mit stechendem Blick musterte. »Warum hast du uns hierhergeführt?«
    Anno richtete sich auf und hielt die Laterne hoch. »Wir sollen nachsehen, ob die Mailänder sich des Frevels der Kirchenschändung strafbar gemacht haben. Der Fürsterzbischof hat den Verdacht, dass etwas aus diesem Gotteshaus gestohlen wurde.«
    »Warum sollten die Mailänder eine Kirche bestehlen, die ihnen gehört?«, erklang Heinrichs ruhige Stimme.
    »Befehle bespricht man nicht, man führt sie aus«, entgegnete Anno barsch und schritt den schmalen Gang auf den Altar zu. Seitlich davon lag eine Nische, in der ein großer, steinerner Sarkophag stand. Der Sennberger sah sich noch einmal kurz um und eilte dann zu der Grabnische hinüber. Vorsichtig glitten seine Finger über den hellen Stein. Er kniete abrupt nieder und – Rother traute seinen Augen nicht – küsste den Sockel des Sarkophags, als sei dort seine Liebste zur letzten Ruhe gebettet worden. »Hier ist es!«, flüsterte Anno kaum hörbar.
    »Was ist hier?« Ludwigs Stimme klang nun eher unsicher als drängend.
    »Wir knien vor dem Grab jener drei Könige, die in der heiligsten aller Nächte das Knie vor unserem Herren Jesus Christus beugten.«
    »Die Drei Könige«, hauchte Rother ergriffen. Die Zeugen
Christi Geburt! Voller Ehrfurcht fiel er auf die Knie. Auch Heinrich warf sich auf den Boden und streckte die Arme aus, so dass er wie ein lebendiges Kreuz aussah.
    Gebannt starrte Rother auf den Sarkophag. Er war aus hellem Stein geschnitten, schlicht und ohne jeden Schmuck. Nicht einmal eine Inschrift wies darauf hin, welche gesegneten Leiber in seinem Inneren ruhten.
    Bitte, ihr Heiligen, verleiht mir Kraft, dachte Rother. Lasst mich aussehen wie ein Ritter und nicht wie ein Kind. Alles würde ich dafür tun …
    Anno richtete sich auf. Sein Schatten verdunkelte den Stein. Bedächtig strich seine Hand über die Fuge unterhalb des hochgewölbten Sargdeckels.
    »Man hat ihn geöffnet!« Seine Worte fielen in die Stille wie ein Schwerthieb. »Es ist kein Mörtel mehr zwischen Sarg und Deckstein!« Er zog einen Meißel aus seinem Gürtel und setzte ihn an die Fuge. Rother sah ihn fassungslos an. Er konnte doch nicht Hand an diesen geweihten Sarkophag legen!
    Heinrich war mit einem Satz auf den Beinen. Er packte Annos Arm und zerrte den Sennberger herum. »Kennst du keine Ehrfurcht vor Gott und seinen Heiligen?«
    Anno riss sich los. »Ich muss Gewissheit haben! Deshalb sind wir hier!«
    Heinrichs Hand glitt zum Griff seines Schwertes. »Du wirst kein Sakrileg begehen, solange ich …«
    »Und du? Würdest du in einer Kirche dein Schwert ziehen, um Blut vor dem Altar Gottes zu vergießen?« Ludwig schob sich langsam zwischen die beiden Kontrahenten. Stumm maßen Heinrich und Anno sich mit Blicken.
    »Die verdammten Mailänder haben sie Jahrhunderte versteckt.
Warum ruhen die Drei Könige in einer kleinen Kirche vor den Mauern einer der reichsten Städte der Christenheit? Sie haben kein Recht mehr auf sie«, sagte Anno kalt. »Der Erzbischof hat uns geschickt, um die Heiligen zu holen. Ganz in der Nähe steht ein Wagen!«
    »Das ist Raub!« Heinrich hob sein Schwert, bereit zuzuschlagen.
    »Nicht!« Ludwig fiel ihm in den Arm. »Wenn es stimmt, was Anno sagt, dann ist es nur gerecht, sie zu holen. Die Mailänder durften sie nicht verstecken! Das ist keine Tat von Christenmenschen. Und warum liegen die Könige in dieser verfallenen kleinen Kirche? Ein eigenes Gotteshaus sollte man ihnen errichten.« Er bekreuzigte sich.
    »Rother, Ludwig!« Der Sennberger machte ihnen ein Zeichen. »Helft mir! Wir müssen den Deckel heben!«
    Zweifelnd blickte Rother zu Heinrich. Der bärtige Ritter hatte sein Schwert sinken lassen. Die Klinge zitterte in seiner Faust, so aufgebracht war er.
    Aber hatte Anno nicht Recht! Die Mailänder hätten

Weitere Kostenlose Bücher