Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
meine Kirche auf den falschen Felsen gebaut habe! Das weiß ich auch ohne deine Verse gut genug!«
Der Mönch kauerte sich hinter die breite Lehne des Bischofsstuhls und sang voll falscher Demut:
»Schone, Cölns Erwählter, mich reuevollen Armen,
der von dir Verzeihung fleht, hab mit mir Erbarmen!
Setz mir Buße, der die Schuld nannte unverhohlen!
Willig führ ich alles aus, was du je befohlen …«
»Soll dir deine Zunge im Rachen verfaulen und der Aussatz dir die Finger rauben, gottloser Vagabund! Dir steht es nicht zu, mir den Spiegel hinzuhalten, du falscher Mönch, der du die Huren im Lager besser kennst als selbst der liederlichste unter des Kaisers Rittern!«
»Äußerst mühevoll es ist, die Natur zu zwingen,
bei des Mädels Anblick noch rein sich durchzuringen.
Ach, wir Jungen können nicht hart Gebot beachten,
müssen ihren holden Leib voller Lust betrachten …«
»Wenn du den ganzen Tag mit einem törichten Papst und dickköpfigen Bischöfen verbracht hättest, würden dir die Späße auch nicht mehr so leicht von den Lippen gehen. Solltest du weiter mein Brot essen und vor allem meinen guten Wein trinken wollen, dann rate mir lieber, was ich tun soll, um dieses traurige Konzil zu retten.«
»Wenn ich meinen Fürsten recht verstehe, grämt es ihn,
dass nur so wenige Bischöfe das Loblied des neuen Papstes singen mögen.«
»Es macht kein gutes Bild, wenn aus der ganzen Christenheit nur jene Kirchenfürsten erscheinen, denen der Kaiser zum Amt verholfen hat.«
»Und die Übrigen haben sich nicht einmal für ihr Fernbleiben entschuldigt …«
Rainald brummte mürrisch.
»Dann seid doch so frei, und setzt ihre Namen unter die Beschlüsse des Konzils!«
»Bist du närrisch!«
Der Erzpoet lachte. »Narrenmund tut Wahrheit kund. In der Tat, närrisch zu sein ist mein täglich Brot. Doch nun ganz im Ernst, mein Fürst. Wenn ein Gast, den Ihr ladet, sich nicht ausdrücklich verweigert, habt Ihr dann nicht das Recht anzunehmen, dass er hätte kommen wollen? Seine Abwesenheit mag ein Indiz für seinen Unwillen sein, aber ist sie ein Beweis? Können ihn nicht widriges Wetter oder hundert andere Fährnisse aufgehalten haben? Es wäre also eine Gunst, wenn Ihr als Kanzler über die Unbilden des Lebens hinwegsehen würdet und Euch die Freiheit nehmt, die Namen all jener, die dem Konzil ferngeblieben sind, ohne sich ausdrücklich gegen Victor zu stellen, einfach auf die Urkunde setzt.«
»Was du sagst, ist infam …« Rainald massierte nachdenklich seine Augenbrauen. »Geh zu meinem Mundschenk, und lass dir einen Krug Wein geben. Ich kann deinen Narrenrat heute nicht gebrauchen!«
»Lieber mag ich Wirtshauswein als den Wein genießen, dem des Kanzlers Mundschenk pflegt Wasser zuzugießen … « , spottete der Mönch zu Lautenklängen.
Der Erzbischof kramte eine Münze aus dem Beutel an seinem Gürtel und warf sie dem Dichter zu. »Danke Gott, dass du einen Herrn wie mich gefunden hast, und bring endlich die Hymne auf den Kaiser zuwege. Friedrichs Laune verfinstert sich mit jedem Tag, den Mailand uns trotzt.«
Ohne ein Wort des Dankes verließ der Poet das Zelt. Treuloser Vagabund, dachte Rainald, doch beherrschte er seinen Zorn. Es fröstelte ihn, und er zog seinen Umhang enger um die Schultern. Dann schritt er zu einem Kästchen, das ein Kreuz aus Achaten schmückte. In diesem Reliquiar verwahrte Rainald das Einzige, was von den Drei Königen zurückgeblieben war. Den Stofffetzen, den ihm seine Ritter gebracht hatten.
Die Faust des Erzbischofs schloss sich um das Reliquiar, bis die metallenen Kanten tief in seine Hand schnitten. Verfluchte Mailänder! Wenn er nur wüsste, wohin sie die Heiligen gebracht hatten! Vielleicht waren sie nicht einmal mehr in der Stadt. All seine Pläne würden scheitern, wenn es ihm nicht gelang, die Könige zu finden. Er ließ das Reliquiar fallen. Es klappte auf, und der Fetzen gelblichbrauner Stoff fiel vor seine Füße. Er hob den Fuß, um den brüchigen Stoff zu zertreten. Wie ein Hohn war es ihm erschienen, als die Ritter nichts als diesen mottenzerfressenen Dreck gebracht hatten.
Er hielt inne. Wenn man genau hinsah, konnte man sogar noch einen Hauch verblasstes Purpur auf dem Stoff erkennen. Die Farbe der Könige! Beherrschen sollte er sich! Allzu oft hatte ihm sein Jähzorn schon geschadet. Vorsichtig hob er den Fetzen auf und legte ihn wieder in das Kästchen zurück. Wenn er die Reliquie schändete, würde er den Zorn der Erzengel auf sein Haupt
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