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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Roche; er würde seine Rädchen mit dem vorhandenen Getriebe verzahnen.
    Die Weinstube war geschlossen, ohne daß das knappe elektrische Statikschild, das an der alten Glastür klebte, einen Grund dafür angab. Nicht sauer sein, blinkte es. Wir sind heute weg, um normale Menschen zu sein. Kommen Sie später wieder; wann? Er erkannte den Tonfall von Goldsmith; hatte Goldsmith das vor Jahren für sie geschrieben? Oder sah er Emanuel in seiner Besessenheit überall?
    Dies Geschlecht ist wie Säure in einer engen Metallrinne; wir ätzen. Hoffnung? Das war Goldsmith vor zehn Jahren gewesen, vom Leben gebeutelt. An dem Tag, als er das geschrieben hatte, waren sie zur Weinstube gegangen, Richard und Emanuel, hatten ihren Weltschmerz fröhlich im Wein ertränkt, und Richard hatte die auf Sparflamme brennende Kameradschaft des Dichters genossen. Eine törichte Liebesaffäre oder irgendeine zufällige Zurückweisung durch die Verlagswelt – Richard konnte sich nicht erinnern, was es gewesen war – hatte Goldsmith heruntergezogen, so daß er eine friedliche, traurige Ruhe ausstrahlte und das Bedürfnis hatte, sich bei Fettle anzulehnen. Die Distanz des Ruhms und der Leistung hatte sich zwischen ihnen praktisch auf Null verringert; Richard hatte Mitgefühl gehabt und den menschlichen Instinkt verspürt, einem Freund zu helfen, der down war. Goldsmith hatte dieses Gedicht auf eine Statikserviette geschrieben, nachdem er sie ausgeschüttelt hatte, so daß die paar Brösel darin zu Boden fielen. Dreißig Zeilen der Bestürzung über den Schwall der Ignoranz, die die Menschen in bezug auf sich selbst zeigten.
    Fettle sah zu, wie das Schild kurz blinkte und umsprang.
    Sie hatten dem Kellner feierlich zwanzig Cents für die Statikserviette bezahlt und sie zu Goldsmith nach Hause mitgenommen. Goldsmith hatte damals auf der Vermont Avenue im Schatten gewohnt, nicht in den aufstrebenden Combs. Er hatte die Statikserviette in einen Bilderrahmen gespannt und den Text abgeschrieben, bevor die Tinte abblätterte. Die gerahmte leere Statikserviette hatte er jahrelang behalten und sie >ein gewisses Maß an Kritik – wie Gott all unsere schwachen Formulierungen tilgt< genannt.
    Richard ging die kurze Strecke zum Pacific Arts Lit Parlor zu Fuß und sah durch das lange, aprikosenfarbene Glasfenster eine kleine Gruppe von Gästen und Mitgliedern. Keine Spur von Yermak; aber Welsh war da. Er ging hinein und bezahlte seinen Eintritt bei einem Arbeiter, der so gekleidet war, daß er Samuel Johnson ähnelte, nahm einen leeren Hocker an der langen Eichenbar, wo jetzt die mitfühlende Miriel bediente, eine Teiltransformierte mit Nerzfell statt Haaren auf dem Schädel und einem Stecker aus glänzenden Schuppen auf beiden Wangen. Die Tochter des Eigentümers, der nur unter dem Namen Mr. Pacifico bekannt war.
    »Miriel«, sagte er in vertraulichem Ton, wobei er ihr das Manuskript und die Tafel zeigte, »ich hatte einen Kreativitätsschub nach einer langen Phase der Untätigkeit. Die Zeit der Stagnation liegt hinter mir, aber ich brauche Kritik.«
    »Um diese Zeit machen wir keine Litkrit und keine Lesungen«, sagte Miriel, aber sie hatte Mitgefühl mit ihm, als er den Kopf hängenließ, und legte ihm ihre Finger mit den goldenen Spitzen auf den Arm. »Na trotzdem, wenn’s wirklich sein muß, wer kann da nein sagen? Ich hole einen Kreis zusammen. Sie schreiben? Wie wundervoll! Damit ist eine Schreibhemmung von Jahren durchbrochen, nicht, Mr. Fettle?«
    »Von vielen Jahren«, sagte er. »Seit damals.«
    Sie sah ihn mit großen, warmen, braunen Augen an. Der Nerzpelz legte sich in Falten, die in seine Richtung zeigten. Trotz ihres Mitgefühls war sie für ihn eher eine große Ratte als ein Nerz. Miriel lehnte sich über den Tresen und wandte sich an die anderen, insbesondere an Welsh.
    »Alle mal herhören«, rief sie. »Wir haben hier einen Freund, der seine Stagnation überwunden hat. Er hat sein neues Werk dabei. Mr. Welsh, können wir einen Kreis zusammenbekommen? Ausnahmsweise?«
    Jacob Welsh drehte sich um und sah Fettle überrascht an. Er lächelte und warf den anderen fünf Gästen einen raschen Blick zu, um zu sehen, ob sie einverstanden waren. Fettle kannte keinen von ihnen. Sie stimmten alle zu. Literarische Wohltätigkeit.
    Yermak kam genau in dem Moment zur Tür herein, als Richard sein Manuskript zu lesen begann. Er gesellte sich ohne ein Wort zu dem Kreis, aber seine Miene sagte alles und änderte sich auch nicht, als Richard bei seiner

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