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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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eine Skulptur als ein Gerät. Carol langte hinüber und berührte die steinernen Tasten. [v]
    | Da ist eine Tür, sagte Martin. Sie gingen durch den Mittelgang nach hinten, schoben sich durch eine doppelte Schwingtür und standen vor einer riesigen Müllhalde in einer tiefen Höhle. Eine Brüstung hinter der Tür führte auf die Höhle hinaus.
    | Gütiger Gott, sagte Carol. Das ist nicht bloß Müll. Das sind Leichen. Noch mehr Gebeine.
    Martin sah wieder Haufen von zerbrochenem Geschirr statt Knochen. So etwas hatte er in einer Landschaft noch nie gesehen. Am Rand eines Alptraums, schienen diese Zeichen auf einen inneren Krieg, einen internen Völkermord hinzudeuten.
    | Wir kommen nicht voran – wir kriegen nicht viel von Goldsmith zu sehen, sagte Martin. Bloß eine Hülse.
    | Vielleicht sind wir in eine Falle gelaufen, meinte Carol.
    | Ich habe in der Landschaft noch nie was Trügerisches gesehen.
    | Sowas wie das hier haben wir auch noch nie gesehen.
    Martin überlegte, ob es sich vielleicht um ein Labyrinth handeln könnte. War es möglich, daß Goldsmiths mentale Ressourcen Barrikaden gegen ihre Sonde aufgebaut hatten? Goldsmith wußte nicht, was er von einer Sondierung zu erwarten hatte, aber seine diversen Organons konnten durchaus Widerstände errichten, um schmerzhafte Selbstenthüllungen zu verhindern.
    | Vielleicht bist du auf der richtigen Spur. Kann sein, daß wir da eine bewußte Tarnung vor uns haben, sagte Martin. Ein Labyrinth mit irreführenden Nebensächlichkeiten… Keine Lügen oder Täuschungen, aber Umwege und Köder.
    Carol verzog das Gesicht und schaute in die Grube. | Wenn das hier eine unwichtige Kleinigkeit ist, wie sieht’s dann wohl aus, wenn’s richtig zur Sache geht?
    | Hier werden wir nichts Nützliches finden.
    Draußen auf der Straße langte Martin nach unten, um den vermeintlichen Asphalt zu berühren. Zuerst war das körnige Material unentschieden, wurde jedoch fast sofort rauh und absolut überzeugend. Er schaute zu Carol hinauf. Sie verschwamm für einen ganz kleinen Moment, bevor sie wieder feste Konturen annahm.
    | Ich glaube, es ist an der Zeit, mal ein Machtwort zu sprechen, sagte er.
    | Finde ich auch. Was zuerst?
    | Wir brauchen eine Straße, die direkt ins Herz der Stadt führt. Sagen wir mal, da drüben.
    Er zeigte auf die nächste Querstraße, legte melodramatisch die Stirn in Falten, um intensive Konzentration zu demonstrieren, und befahl ihr mit einer Handbewegung, das gleiche zu tun. Nichts Sichtbares änderte sich, aber ein solches Machtwort wurde am besten unsichtbaren Gegenständen oder Situationen gegenüber gesprochen. Auf diese Weise mußte nicht so viel offen umstrukturiert werden. | In Ordnung. Probieren wir’s.
    Sie gingen zur Ecke und standen direkt vor der fernen Skyline. Die neue Straße führte pfeilgerade in die Stadt hinein. Das Trommeln hatte aufgehört. Jetzt hörten sie nur noch ein leises Rascheln wie von Taftröcken oder von Wind in Palmwedeln.
    | Vielleicht haben wir gar nichts verändert. Vielleicht führte diese Straße rein zufällig in diese Richtung, sagte Carol.
    Martin konzentrierte sich erneut. Er beschloß, die nächste Umstrukturierung allein zu versuchen. Ein Motor heulte hinter ihnen auf. Sie drehten sich um und sahen einen alten Dieselbus, der qualmend und geräuschvoll auf sie zukam. Martin streckte die Hand aus und schloß sie um den Pfahl mit dem Schild einer Bushaltestelle, den er vorher nicht gesehen hatte.
    | So langsam kriege ich wieder das Gespür dafür, sagte er.
    Der Bus fuhr an den Straßenrand und öffnete die Tür. Er sah aus wie ein Bus aus dem späten zwanzigsten Jahrhundert, aber es gab weder einen Fahrer noch einen Fahrersitz. | Alles einsteigen, befahl Martin.
    Der Bus fuhr mit einem überzeugenden Ruck an. Carol setzte sich auf einen mit Vinyl bezogenen Sitz. Martin blieb stehen und hielt sich an einer vom Alter glattpolierten Stange fest.
    | Sieht aus wie etwas, das Goldsmith als Kind gesehen haben könnte, sagte Carol. Bist du sicher, daß es deine Idee war?
    | Ist eine Gemeinschaftsproduktion, sagte Martin.
    Das Bild draußen vor den Fenstern verschwamm. Objekte blieben schneller zurück als ihre Nachbilder und hinterließen wieder geisterhafte Schwärze. Der Bus fuhr schneller als die Erneuerungsgeschwindigkeit der sensorischen Erschaffung.
    | Wann wollen wir an der Leine ziehen? fragte Carol.
    Sie zeigte auf ein dunkles, plastiküberzogenes Seil, das durch Metallösen über den Fenstern

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