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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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lächelte Mary verwirrt zu und schloß die Tür.
    Gnädigerweise blieb das Licht an. Mary stand neben der Liege und schaute auf den Gefangenen in der Klammer herunter. Sie konnte sich nicht vorstellen, was er erlebte. Sein Gesicht verriet keinen Schmerz. Das war wahrhaftig eine private Hölle. Wie lange war er schon unter der Klammer? Minuten? Stunden?
    Sie dachte daran, ihm die Klammer abzunehmen oder die Höllenkrone abzuschalten, aber sie kannte sich mit dem Modell nicht aus. Es war keine Schalttafel zu sehen. Vielleicht wurde sie per Fernsteuerung bedient.
    Die Tür ging auf. Soulavier zwängte sich hindurch. »Das muß Goldsmith sein«, erklärte er. »Dieser Mann ist mit Goldsmiths Flugschein und seinem Gepäck am Flughafen angekommen. Sie irren sich.«
    »Hat Colonel Sir diesen Mann je gesehen?«
    »Nein«, antwortete Soulavier.
    »Hat ihn irgend jemand gesehen, der Goldsmith kannte?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Sie sah sich das Gesicht erneut an und merkte, wie ihr die Tränen kamen. »Bitte nehmen Sie ihm die Klammer ab. Wie lange ist er schon hier?«
    Soulavier besprach sich mit dem Chef. »Er sagt, Goldsmith erhält hier seit sechs Stunden eine Strafe niedrigen Grades.«
    »Was ist ein niedriger Grad?«
    Die Frage schien Soulavier zu verwirren. »Ich weiß nicht genau, Mademoiselle. Wie mißt man Schmerz oder Leiden?«
    »Bitte nehmen Sie ihm die Klammer ab. Das ist nicht Goldsmith. Bitte glauben Sie mir. Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.«
    Soulavier verließ die Zelle wieder und beriet sich mehrere endlose Minuten lang mit dem Chef. Der Chef stieß einen scharfen Pfiff aus und sagte etwas zu jemandem auf dem Hauptkorridor.
    Mary kniete sich neben die Liege. Sie spürte, daß sie hier etwas zugleich Schreckliches und unerklärlich Heiliges vor sich hatte: ein menschliches Wesen, das stundenlang unter der Klammer gelitten hatte. Konnte Jesus Christus selbst mehr gelitten haben? Sie konnte all ihre Sünden, alle Sünden der Menschheit auf die Brust dieses Mannes häufen; er hatte stundenlang gelitten. Wie viele andere hatten in diesem oder in anderen Gefängnissen gelitten oder litten noch jetzt? Sie streckte die Hand aus und strich dem Mann über das Gesicht. Ihr Inneres war so hart wie Stahl. Tränen strömten ihr über die Wangen und tropften auf das weiße Laken auf der Liege.
    Der Gefangene hatte eine flüchtige Ähnlichkeit mit Goldsmith. Es gab Merkmale, die für ein achtloses offizielles Auge als Bestätigung der Identität genügen konnten; etwa das gleiche Alter, vielleicht ein paar Jahre jünger, hohe Wangenknochen, ein voller, wohlgeformter Mund.
    Eine ältliche Frau in einem weißen Laborkittel kam in die Zelle, schob Mary sanft beiseite und machte eine kleine Klappe an der Seite des Zylinders auf. Sie pfiff tonlos vor sich hin, tippte auf eine digitale Anzeige, machte sich ein paar Notizen auf einer Tafel, verglich die Werte und drehte dann einen schwarzen Knopf gegen den Uhrzeigersinn. Sie stand wieder auf, schüttelte den Kopf, schloß die Klappe und schaute ausdruckslos und erwartungsvoll zu Soulavier auf.
    »Er braucht Zeit, um sich zu erholen«, sagte sie. »Ein paar Stunden. Ich werde ihm Medikamente geben.«
    »Sind Sie sicher, daß dies nicht Emanuel Goldsmith ist?« wandte sich Soulavier an Mary. Seine Augen funkelten wütend.
    »Absolut.«
    Die Mulattin gab dem Gefangenen eine Injektion in den Arm und trat zurück. Die Gesichtszüge des Gefangenen entspannten sich nicht. Wenn überhaupt, dann zeigten sie jetzt, wo der Induktor der Höllenkrone abgeschaltet war, noch mehr Angst und noch mehr Anspannung. Als die Mulattin sah, daß der Gefangene nicht anfing, um sich zu schlagen, ging sie wieder zu ihm und nahm ihm die Klammer ab.
    »Er muß ärztlich behandelt werden«, sagte Mary. »Bitte bringen Sie ihn weg von hier.«
    »Dazu brauchen wir ein Gerichtsurteil«, sagte Soulavier.
    »Wie ist er denn hierhergekommen? Ist das etwa mit rechten Dingen zugegangen?« fragte Mary.
    »Ich weiß nicht, wie er hergekommen ist«, gab Soulavier zu.
    »Dann schaffen Sie ihn im Namen des schlichten menschlichen Anstands aus dieser Zelle raus und bringen Sie ihn zu einem Arzt!« Sie starrte die Mulattin an, die rasch den Blick abwandte und ein Zeichen machte, indem sie drei Finger über der linken Schulter kreuzte. »Zu einem richtigen Arzt.«
    Soulavier schüttelte den Kopf und schaute an die Decke. »Das ist keine Angelegenheit, auf die man die Aufmerksamkeit von Colonel Sir lenken sollte.« Seine

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