Königin der Engel
eingefallen, daß er was Gutes getan hat, etwas sehr Nettes. Er hat mir geholfen, als Gina und Dione gestorben waren.«
»Das ist aber schön«, sagte Nadine. Die Schärfe ihres Tons verwirrte ihn. Sie warf den letzten Rest der Schale und der weißen Haut der Mandarine ins Waschbecken, zog ihren Morgenmantel enger um sich und drehte sich zu ihm um. »Ich versuche dir zu helfen, und nichts passiert. Dann kommt Goldsmith, und alles ist in Ordnung. Vielen Dank, Richard.«
Richards Lächeln gefror. »Ich habe doch gesagt, daß du mir geholfen hast. Ich weiß zu schätzen, was du getan hast. Ich mußte mich einfach durch ein paar Blödheiten durchkämpfen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe gespürt, daß es eine Verbindung zwischen Goldsmith und mir gab. Ich konnte ihn in mir fühlen. Ich bin mir nicht sicher, ob da irgendwas war…«
Ihre Miene änderte sich nicht; ein verwirrter Zorn.
»Aber jetzt ist er nicht mehr da. Ich weiß nicht recht, ob ich an solche Dinge glaube, aber Goldsmith ist jetzt nirgends mehr – ich kann ihn überhaupt nicht mehr fühlen. Der Goldsmith, den ich kannte, ist tot, und das war der Mann, den ich gern gehabt habe, der Mann, der gut zu mir war, als ich eine harte Zeit durchmachte. Ich glaube, er ist wirklich tot, Nadine.« Richard schüttelte den Kopf; er merkte, daß er Unsinn redete.
Sie schob sich an ihm vorbei. »Na, dann geht’s dir jetzt ja wohl wieder richtig gut. Und mich brauchst du nicht mehr. Ich kann gehen, und du lebst einfach so weiter.« Sie wirbelte herum und beugte sich vor, das Gesicht zu einer Maske der Verachtung verzogen. »Wie oft habe ich dich gebeten, mit mir zu schlafen? Viermal, fünfmal? Und du wolltest nicht. Aber jetzt, wo du dich besser fühlst, ist dir doch bestimmt nach ein bißchen harmlosem Gestoße, hm?«
Richard richtete sich auf, ernüchtert von ihrer Reaktion, aber seine innere Freude war immer noch stark. »Ich fühle mich viel besser, ja.«
»Na, das ist ja wunderbar. Ich fühle mich nämlich wie ein… ein…« Sie stieß die Faust zweimal zur Decke, konnte das Wort nicht finden, wirbelte auf einem Fuß herum und kehrte ins Bad zurück. Die Tür fiel mit einem Knall hinter ihr zu.
Richard blieb am Küchenfenster stehen und schälte sich eine weitere Mandarine. Er sah sich jede Scheibe genau an, ließ sich den Zucker und die Säure auf der Zunge zergehen. Er würde sich das, was er gefunden hatte, nicht von Nadine verderben lassen.
Als sie aus dem Bad kam, hatte sie sich angezogen, aber keins der Kleidungsstücke schien ihr richtig zu passen. Das Make-up war eine schmierige Schicht auf ihrem Gesicht, dick und ungeschickt aufgetragen; sie hatte versucht, vom Weinen verquollene Augen zu betonen, nur mit dem Ergebnis, daß sie wie ein Wasserspeier aussah. »Ich bin froh, daß es dir besser geht«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme, wobei sie seinen Blick mied. Sie berührte seine Schulter und spielte mit seinem Kragen. »Ich kann jetzt gehen, oder?«
»Wenn du willst«, sagte Richard.
»Gut. Ich bin froh, daß ich meine Freiheit wiederhabe. Sehr liebenswürdig von dir.« Sie nahm ihre Tasche, ging rasch zur Tür hinaus und machte sie mit Nachdruck hinter sich zu. Er lauschte ihren Schritten auf dem Gang und der Treppe.
+ Wo ist er. Hat er sich umgebracht. Ist er nach Hispaniola geflogen und hat Selbstmord begangen. Ich spüre überhaupt nichts.
Richard fröstelte.
+ Zeit das Alleinsein zu genießen.
58
Das Tausend-Blumen-Gefängnis lag wie ein Kuhfladen aus Beton in einem trockenen, braungrauen Canyon im Landesinneren. Seine sanft abgerundeten weißen Terrassen waren leer, bis auf einen gelegentlichen Windschutz, ein schmales Fenster oder eine Tür. Eine trockene Asphaltstraße führte zum Gefängnis und im Kreis drumherum.
In den Hügeln verteilten sich Blockhäuser und Türme aus Beton, von denen aus man jeden Felsen, jeden Busch und jede Vertiefung im ganzen Tal sehen konnte. Die Wände des Canyons hatte man abgetragen, so daß senkrechte Barrieren entstanden waren. Weitere Blockhäuser und Türme überall im Canyon sowie messerscharfer Draht und Stahlspitzen auf den Mauern und zu ihren Füßen vervollständigten den düsteren Anblick.
Mit kolossalem Stolz zeigte ihr Soulavier all diese Dinge von der hochgelegenen Stelle aus, wo die Straße in den Canyon hineinführte. »Es ist das sicherste Gefängnis in Nordamerika, sogar noch sicherer als andere auf Hispaniola«, erklärte er. »Unsere Landsleute werden hier nicht
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