Königin der Engel
Modell, aber es ist absolut illegal.«
»Technisch gesehen ist davon im Grunde bloß noch die Verkleidung übrig. Es ist ein altes Modell, da hast du völlig recht. Es ahmt die normale Wiederbelebung eines Traums nach. Es ist nicht schlimmer als das, was man im Spielzeugladen kaufen kann.«
»Scanlinien in meinem limbischen System und meiner Sehrinde, Ernest! Du meine Güte. Wo hast du das Ding her?«
»Es ist für die Kunst, es ist harmlos…«
»Hast du dir das von einem Therapeuten bescheinigen lassen, Ernest?«
Er zuckte vor ihrem Sarkasmus zurück und kniff die Augen zusammen. »Nein, Herrgott nochmal, natürlich nicht. Aber ich hab’s untersucht und monatelang an mir selbst ausprobiert.«
»Hast du es von Selektoren gekauft?«
»Von ehemaligen Selektoren. Abtrünnigen.«
»Noch mehr Kontakte?« Ihr Ton war honigbitter geworden. Der nichtneutrale Fehler, ihr angeborener Drang, übervorsichtig zu sein, war aufgeblüht, und jetzt hätte sie ihn am liebsten ins Gesicht geschlagen. Es half ihm auch nichts, daß er ins Schwitzen kam und herumstotterte, wobei sein hübsches braunes Gesicht im Licht der vielen Scheinwerfer und flackernden Laser glänzte. Die Figur lag gleichgültig und teilnahmslos da.
»Du darfst es niemandem sagen, Mary. Ich hätte sie dir nie gezeigt, wenn ich gewußt hätte…«
»Der Besitz von Höllenkronen ist ein Verbrechen, Ernest. Was bedeutet dir mein Versprechen, wenn ich meine gute Beurteilung als Natürliche verlieren, in die Zwangstherapie gesteckt und aus dem PD entfernt werden könnte, bloß weil ich deine Komplizin werde? Wie kannst du nur so bescheuert sein, mich in diese Lage zu bringen?«
Ernest hörte mit seinen Erklärungsversuchen auf. Seine Schultern sanken herab. Er schüttelte den Kopf. »Das wußte ich nicht«, sagte er leise. »Tut mir leid.«
»Ich glaube, du mußt mich begleiten, damit ich hier rauskomme«, sagte Mary. Ihre Wut verwandelte sich in Übelkeit. »Bitte bring mich raus.«
»Die Limousine wird uns heimfahren…«
»Mich nicht. Bitte, Ernest.«
»Was soll das, Mary?« Er hob die Schultern. »Das ist doch gar nichts! Das Ding ist harmlos. Unter diesen Umständen ist das Gesetz doch lächerlich.«
Sie stieß seine gestikulierenden Arme beiseite, ging mit energischen Schritten zur Tür und den kurzen Flur entlang. »Bring mich hier raus!«
Er folgte ihr, die Augenbrauen verletzt, verwirrt und verärgert zusammengezogen. »Ich hab keinem Menschen was getan! Das Ding wird keinem je was tun! Was hast du jetzt vor? Willst du Anzeige erstatten?«
»Was hattest du denn vor? Wolltest du’s an einen Kunstliebhaber aus den Combs verkaufen? Damit er mit einer Höllenkrone erwischt wird, die er bei sich zu Hause versteckt hat?«
»Das Ding ist unverkäuflich. Es ist ein Ausstellungsstück. Zur Werbung. Es würde dieses Studio – dieses Gebäude – nie verlassen. Ist gar nicht möglich.«
»Du hast Selektoren dafür bezahlt… Du hast Leuten geholfen, das Gesetz zu umgehen. Ich kann das nicht…« Sie schloß die Augen. Ihr Mund war offen. Sie hob den Kopf und schüttelte ihn. »Dulden. Zulassen.« Sie würde nicht zulassen, daß sie in Tränen ausbrach. Angesichts all dessen, was morgen passieren würde: das hier. Die Enttäuschung und der Schock die Erkenntnis daß ihr Zorn tatsächlich nicht ganz rational war daß ihre Enttäuschung tief saß und nicht bloß an der Oberfläche daß die Person an der Oberfläche es möglicherweise wirklich dulden und vielleicht sogar davon amüsiert sein würde aber nicht diese Person in der Tiefe.
Ernest drehte sich um, reckte die Fäuste in die Luft und stieß einen gellenden Schrei der Frustration aus.
»Dann geh doch und erzähl’s deinen gottverdammten PDs. Na los! Warum tust du mir das an?«
Er blieb stehen. Seine Brust hob und senkte sich. Sein Blick war auf einmal kühl und abwartend. Er rieb sich die Hände. »Ich entschuldige mich«, sagte er leise. »Ich habe einen schlimmen Fehler gemacht, ohne es zu wollen. Ich habe dich verletzt.«
Jetzt kamen ihr die Tränen. »Bitte«, sagte sie.
»Ja. Natürlich.« Er befahl dem Etagenmanager, ein Metrotaxi zu rufen.
»Laß gut sein«, wehrte sie ab. »Ich nehme einen PD-Minibus.«
»In Ordnung«, sagte er.
Der Kampf dauert schon zu lange, John. Jeder weiß, wer ich bin, bloß ich nicht. Diese Unwissenheit in bezug auf mich selbst gefällt mir nicht. Ich merke, wie ich Tag für Tag dahinschwinde. Ich werde gehetzt. Wenn ich nicht bald herausbekomme, wer ich
Weitere Kostenlose Bücher