Koenigin der Meere - Roman
zurückschickt, werde ich damit zurechtkommen.« Sie sprach so fest und sicher, dass Kabelo nichts übrig blieb, als das Gespräch mit einem Schulterzucken zu beenden.
Anders als Mimber war Cormac täglich mehr davon überzeugt, endlich sein Glück gefunden zu haben. Seine Geliebte hatte nicht Margarets Ängste und nicht Phibbahs Ehrgeiz. Cormac dachte an die Einladungen in Charleston, die Bälle und Diners, anlässlich derer er immer wieder auf Damen der Gesellschaft getroffen war, die versucht hatten, ihn zu erobern. Allesamt verwöhnte Personen aus gutem Haus, deren Interesse seinem Wohlstand und nicht ihm selbst gegolten hatte. Er schüttelte sich und dachte an Gwendolyn. Auch sie hatte ihn nicht um seinetwillen geheiratet, und ob sie ihn jemals geliebt hatte, bezweifelte er inzwischen ohnehin.
Vielleicht hatte Anne recht gehabt, sich gegen eine arrangierte Ehe zu wehren. Vielleicht hatte sie ein Gespür dafür gehabt, dass sie nicht glücklich geworden wäre. Er hatte stets nur das Beste für seine geliebte Tochter gewollt, aber vielleicht wäre es gar nicht das Richtige für sie gewesen. William Cormac ertappte sich dabei, dass er sich schuldig fühlte. Schuldig daran, dass Anne Hals über Kopf davongelaufen war und bis zum heutigen Tag kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte.
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K athy, Kisu und Grandma Del hatten die letzten beiden Tage damit verbracht, Brot zu backen, Süßkartoffeln zu kochen und Bananen zu braten. Jubilo war mehr als fünfmal mit einem gemieteten Wagen in die Stadt gefahren und hatte fässerweise Rum und Bier hinter das kleine Häuschen geschleppt. Billy schürte das Feuer und legte Scheit um Scheit in die Flammen. Mit dem Spieß drehte sich eine Ziege, die ihr Leben für das Freudenfest hatte lassen müssen.
Anne lag in der Schlafkammer und stillte ihre Tochter. Das kleine Mädchen war auf den Tag vier Wochen alt. Dank Grandma Dels Ritualen waren keine bösen Geister gekommen, sich des Säuglings zu bemächtigen. Mary Margaret lautete der Name des Kindes. Mary als Andenken an die verstorbene Freundin, Margaret, weil ihre Großmutter so geheißen hatte. Dass sie damit die beiden Namen der Großmutter in umgekehrter Reihenfolge trug, empfand Anne als gutes Omen.
Es war eine leichte Entbindung gewesen. Kaum drei Stunden hatte Anne in den Wehen gelegen, dann zeigte sich das dunkel beflaumte Köpfchen der kleinen Mary. Grandma Del zählte auch diesmal sechs Knoten in der Nabelschnur und nahm es als Bestätigung ihrer Voraussage.
»Du wirst sechs Kinder haben. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.« Anne lachte.
»Im Moment habe ich drei, und ich kann dir sagen, Grandma Del, das reicht fürs Erste. Außerdem müsste ich zunächst einen Mann finden, und das ist mit drei Kindern gar nicht so einfach, abgesehen davon, dass ich nicht weiß, ob ich das überhaupt will.«
Die kleine Mary gluckste zufrieden. Satt und müde schmiegte sie ihr Köpfchen an Annes Brust und schlief augenblicklich so fest, dass sie nicht merkte, als ihre Mutter sie behutsam auf ein weiches Kissen legte. Auf der anderen Seite des Bettes lag Mike und reckte die Ärmchen. Anne nahm ihn hoch und roch an seiner Windel. Vorsichtig kletterte sie aus dem Bett und säuberte den Jungen. An ihrem Rockzipfel hing Jack und beobachtete seine Mutter.
»Stinker?«, flüsterte er so laut, dass Mike erschrocken die Augen aufriss und den Mund gefährlich verzog.
»Psst, leise, mein Schatz, sonst fängt Mike an zu weinen, und dann fängt Mary an zu weinen.« Jack nickte verständig und trollte sich nach draußen, wo er Billy eifrig zur Hand ging.
Am späten Nachmittag trafen die ersten Gäste ein. Nachbarn und Bekannte von Grandma Del, die kamen, um sich von ihr zu verabschieden. Delilah hatte sich festlich herausgeputzt. Zur Feier des Tages hatte sie goldene Kreolen angelegt, die Calico Jack Rackham ihr vor Jahren geschenkt hatte. Auf dem Kopf trug sie ein buntes Tuch, dessen große Schleife ihr immer wieder in die Augen rutschte. Bluse und Rock waren verschiedenfarbig gemustert, unter dem Rock blitzte der weiße Spitzensaum ihres Unterrockes. Kisu hatte das Kleid genäht.
Mit hochkonzentrierter Miene saß das Mädchen in einer Ecke und tat die letzten Stiche an einem leuchtend gelben Mieder, das Anne an diesem Abend zu ihrem neuen roten Rock tragen wollte. Schlank wie vor der Geburt, freute sie sich darauf, endlich wieder etwas anderes als die weiten Umstandskittel tragen zu können. Sie trat aus der Tür.
»Kisu, wie
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