Koenigin der Meere - Roman
einmal da ist, werden wir alle zusammen zu deinem Großvater fahren. Der wird staunen, wenn er dich sieht.« Sie lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen.
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W illiam Cormac saß auf seiner Veranda und wartete auf das Abendessen. Zwei Jahre war es her, dass er einen Brief aus England erhalten hatte. Seine Frau teilte ihm mit, dass sie endlich in die Scheidung einwilligte. Ein entfernter Cousin von Lady Chatterbutt hatte um ihre Hand angehalten, und Gwendolyn war so erfreut über die Vision des damit verbundenen gesellschaftlichen Aufstiegs, dass sie es plötzlich sehr eilig hatte, geschieden zu werden.
Cormac rieb sich die Nase. Was für ein verzwicktes Leben. Erst die Hochzeit mit Gwendolyn, seine zerstörte Karriere in Kinsale, seine Liebe zu Margaret, die ihn beinahe die Existenz gekostet hatte. Anne, die er am liebsten ein ganzes Leben lang auf einem silbernen Tablett durch die Welt getragen hätte, und die ihn so sehr enttäuscht hatte. Der finanzielle Erfolg, den die Plantage und das Handelshaus ihm gebracht hatten. Phibbah, die ihm paradiesische Wonnen bereitet hatte.
Von all dem war nichts geblieben als ein Wohlstand, den er mit niemandem teilen konnte. Seine Geschäftspartner und die wenigen Freunde, die er in der Stadt hatte, waren alle verheiratet, hatten Kinder, viele von ihnen sogar schon Enkel, nur er, William Cormac, saß alleine in einem viel zu großen Haus. Schwermütig leerte er sein Glas.
Aus dem Esszimmer drang das Klappern von Geschirr. Mimber, die Haussklavin, deckte den Tisch. Nach Phibbahs Tod hatte Cormac eine ganze Weile nur Magru, die Köchin und das Küchenmädchen beschäftigt. Mehr schlecht als recht hatten die drei versucht, seinen Haushalt zu führen, waren aber mit dem Säubern der Zimmer und der Wäsche so überfordert, dass Tilly eines Tages all ihren Mut zusammennahm.
»Mr. Cormac, Sir, wir geben unser Bestes, aber ein großes Haus wie dieses können wir nicht neben der Arbeit in Küche und Garten versorgen. Wir brauchen Hilfe.« Cormac ging zu Kabelo und bat ihn, sich in den Hütten nach einer geeigneten Hilfe umzusehen.
Über die Jahre war Kabelo immer mehr zu einem Freund und Vertrauten geworden. Er präsentierte Cormac drei junge Frauen und wunderte sich nicht, als dieser sich für Mimber entschied.
Die Mulattin war bei weitem die hübscheste der drei, ledig und kinderlos. Seit sie mit ihrer ruhigen, aber bestimmten Art für sein Wohlbefinden sorgte, wurde Cormacs Bett einmal wöchentlich frisch bezogen, die Handtücher waren blütenweiß und seine Hemden faltenfrei geplättet. Cormac war so zufrieden mit ihrer Arbeit, dass er Mimber völlig freie Hand ließ. Er genoss ihre Anwesenheit im Haus, und als er eines Tages nach einer längeren Geschäftsreise zurückkehrte, merkte er auf dem Heimweg, dass er sich auf sie freute.
Mimber tat alles, um ihn zufriedenzustellen. Sie schmückte das Haus mit frischen Blumen, arbeitete flink und leise. Kein Tag verging, an dem sie ihn nicht mit Konfekt oder Gebäck verwöhnte.
Die Zeit heilte Cormacs Wunden. Sein Kummer über Phibbahs Verlust und den Tod seiner Frau schwand, und irgendwann ließ auch sein Zorn auf Anne nach. Monatelang hatte er verboten, ihren Namen in seiner Gegenwart auch nur zu erwähnen, doch die Ungewissheit über ihr Schicksal ließ ihm keine Ruhe. Eines Abends rief er Kabelo zu sich auf die Veranda.
»Setz dich und trink einen Schluck mit mir.« Er reichte dem Schwarzen einen Becher mit Rum. Kabelo setzte sich auf die Kante eines Sessels.
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Cormac?«
»Kabelo, mein Freund, ich möchte dich etwas fragen, und ich will eine ehrliche Antwort.«
»Sir, Sie haben von mir noch nie etwas anderes bekommen als eine ehrliche Antwort«, sagte der Afrikaner selbstbewusst.
»Ich weiß, mein Lieber, deswegen schätze ich dich. Kabelo, sag mir offen, hast du jemals etwas von Anne gehört? Weißt du, wo sie ist, was sie tut, ob es ihr gut geht?« Kabelo verschluckte sich vor Überraschung an seinem Rum und sah Cormac gerade in die Augen.
»Nein, Sir, ich habe keine Ahnung, wo Ihre Tochter steckt. Meine Frau und ich fragen uns oft, was aus der kleinen Lady wohl geworden sein mag, und ich sage Ihnen ehrlich, es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an sie denke.« Cormacs Augen füllten sich mit Tränen.
»Du bist eine treue Seele. Weißt du, als sie damals verschwand, habe ich eine so ungeheure Wut auf sie gehabt, dass ich dachte, ich würde sie niemals in meinem Leben mehr
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