Koenigin der Meere - Roman
betrifft, stell dir nur vor, es fliegt ein Funke. Du hast keine Ahnung, wie schnell so ein Schiff in Brand steht. Es ist doch alles aus Holz. Calico hat auch nie erlaubt, dass seine Männer rauchen.«
»Ach, was du redest. Wenn Jack an Bord wäre, würde ich mir keine Gedanken machen, er wüsste schon, was zu tun ist. Und eins kann ich dir sagen, er hätte niemals zugelassen, das dieser dicke Kuttenträger sich den Wanst mit Leckereien vollschlägt, während andere Leute nichts als trockenes Brot und einen Schluck Brühe bekommen«, murrte Delilah und sah Anne feindselig an.
Anne bereute, ihr von den Mahlzeiten am Tisch des Kapitäns erzählt zu haben.
»Grandma Del, noch ein paar Tage, und ich verspreche dir, du wirst nie wieder trockenes Brot und Brühe essen müssen. Bitte hör auf zu schimpfen.«
Das Gewitter wuchs sich zu einem gewaltigen Sturm aus. Kisu kauerte ängstlich in einer Ecke und streichelte Mike. Jack war auf Delilahs Schoß geflohen und schmiegte sich an sie, während Anne ihre Tochter im Arm hielt.
Es klopfte an der Tür. Blass, aber mit gefasster Miene, bat Pater Pregat um Einlass und sagte salbungsvoll: »Meine Kinder, ich bin gekommen, um mit euch zu beten und euch zu sagen, dass der Herr auch in der Stunde der Not bei euch ist.«
Anne bot ihm einen Stuhl an und entgegnete: »Pater, wir danken Ihnen.« Mit stechendem Blick wies sie Delilah zurecht, die den Mönch in ihrer Ecke leise nachäffte.
»Meine Kinder, meine Kinder! Der Herr ist bei euch. Was für ein Unsinn. Wenn er bei uns wäre, würde dieses verdammte Schiff nicht so schaukeln.«
Pater Pregat ignorierte sie, faltete die Hände und betete. Kisu folgte
seinen Worten aufmerksam, und auch Delilah konnte trotz inneren Protests nicht umhin, sich dem Trost seines Gebets zu öffnen. Anne senkte die Lider, dachte an ihre Mutter und erinnerte sich daran, wie diese in ihrer Kindheit allabendlich ein Nachtgebet gesprochen hatte. Sie beschloss, den Pater zu bitten, die drei Kinder zu taufen, sobald das schlechte Wetter sich verzogen hatte.
Zwei Tage später war der Himmel wieder blau, Grandma Dels Übelkeit und Kisus Angst verflogen. Pater Pregat hielt an Deck einen Dankesgottesdienst ab und weihte eine Schüssel, die der Smutje mit Trinkwasser gefüllt hatte. Anne, Delilah und Kisu traten mit den Kindern vor ihn.
»Gegrüßet seist du Maria voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.« Pater Pregat tauchte seine Hand in die Schüssel. Grandma Del dachte darüber nach, was es mit dem Wort gebenedeit wohl auf sich haben mochte, und überprüfte den Verschluss ihres rechten Ohrrings.
»Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Der Pater benetzte die Köpfe der drei Kleinen mit dem geweihten Wasser und schlug das Kreuz. Jack wischte sich die Tropfen von der Stirn.
»Ich brauche das nicht, ich bin schon gewaschen«, krähte er. Aus den Reihen der Matrosen erklang verhaltenes Gelächter. Grandma Del drückte die Hand ihres Schützlings und flüsterte: »Ist gleich vorbei, mein Engel. Schaden wird dir der Humbug schon nicht.« Nach der Messe ließ der Kapitän eines der Vorratsschweine für die Mannschaft schlachten und spendierte ein kleines Fass Rum. Die großzügige Geste versöhnte sogar Grandma Del.
Mit dem Unwetter hatte sich auch der Wind verzogen. Die Unity kam langsamer voran als geplant. Tagsüber gelang es Anne, ihre Ängste zu unterdrücken, doch je näher sie den Bahamas kamen, umso unruhiger wurden die Nächte. Der Gedanke, sich in unmittelbarer Nähe ihres Erzfeindes Rogers zu befinden, schnürte ihr Kehle und Magen zu. Sie suchte Trost im Gespräch mit Pater Pregat.
Der Mönch spürte den Druck, der auf ihr lastete. Doch obwohl er sich redlich bemühte, gelang es ihm nicht, ihr den Grund für ihre Sorgen zu entlocken.
»Wenn du dich mir nicht anvertraust, meine Tochter, kann ich dir nicht helfen. Erleichtere dein Gewissen. Sprich offen mit mir.« Anne dachte an Phibbah und schüttelte den Kopf.
»Pater, ich kann nicht. Ich habe so große Schuld auf mich geladen, dass ich es als meine Buße hinnehmen muss, alleine damit fertig zu werden.« Pater Pregat lächelte milde.
»Deine Buße, meine Tochter, kennt nur der Herr. Er hat alle deine Sünden gesehen, und er allein kann sie dir vergeben. Ich bin nur sein Werkzeug auf
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